Liebe Frau Peirano,

ich (w, 32 Jahre) bin seit zwei Jahren mit meiner Freundin zusammen und wir haben eine gemeinsame Wohnung. Grundsätzlich verstehen wir uns gut und teilen die Liebe zu unseren Tieren (2 Hunde und Pferde). Aber meine Freundin klammert sehr.

Sie ist sehr eifersüchtig auf meine Kolleginnen bei der Arbeit, mit denen ich eine rein freundschaftliche Beziehung habe, und sogar auch auf meine Ex-Beziehungen. Ich bin bisexuell und war länger mit einem Mann zusammen. Das konnte meine Freundin überhaupt nicht verstehen, sie löchert mich immer wieder mit Fragen. Was haben wir zusammen gemacht, wohin sind wir zusammen gereist, wie war es im Bett mit ihm, war es intensiver als mit ihr, wie sehr habe ich ihn geliebt.

In Bezug auf Ex-Freundinnen und kürzere Bekanntschaften macht sie das gleiche. Sie will alles genau wissen, was war, und ist dann traurig und verunsichert, wenn sie Dinge hört, die ihr nicht gefallen. Als sie zum Beispiel erfahren hat, dass ich mit meinem Exfreund in dem gleichen Hotel in Berlin übernachtet habe wie mit ihr, hat sie das ganze Wochenende darauf herumgehackt.

Ich kann es ihr nicht recht machen. Wenn ich meine Gefühle für frühere Partner:innen herunterspiele, fragt sie mich, warum ich denn dann so lange mit ihnen zusammen war, wenn ich keine Gefühle für sie hatte. Wenn ich sage, dass ich sehr verliebt war, fragt sie mich, ob ich eines Tages auch nicht mehr in sie verliebt bin und mich trennen möchte.

Mich erschöpft und ermüdet das sehr, und es macht irgendwie auch meine bisherigen Beziehungen kaputt, wenn ich mich dafür rechtfertigen muss und angeklagt werde. Ich habe manchmal auch schon Dinge nicht erzählt, weil ich gewusst habe, dass dann wieder das ganze Drama losgeht. Aber das waren alles Dinge aus der Vergangenheit, also vor unserer Beziehung. Und wenn sie es dann doch herausgefunden hat, weil sie z.B. Fotos gesehen hat, ging es wieder los mit dem Anklagen.

Nach dem letzten "Ausbruch", als wir ein ganzes Wochenende diskutiert haben, weil ich zu einer beruflichen Veranstaltung wollte, auf der auch eine Exfreundin sein könnte, und meine jetzige Freundin mir gesagt hat, ich solle da auf keinen Fall hingehen, habe ich mir überlegt, ob ich mich trennen soll. Ich sehe einfach keinen Ausweg.

Nach ein paar Tagen Funkstille hat meine Freundin eingelenkt und zum ersten Mal eingesehen, dass sie vielleicht überreagiert und psychologische Hilfe braucht. Sie hat gesagt, dass sie sich nach einer Therapie umsehen will. Jetzt sind sechs Wochen vergangen und sie hat zwei Therapeutinnen angeschrieben und Absagen bekommen. Ich habe schon einmal nachgefragt, aber sie sagte, sie habe so viel zu tun und würde dran bleiben.

Jetzt frage ich mich wirklich, ob sie es ernst meint mit der Therapie. Kann ich ihr irgendwie helfen, einen Therapieplatz zu finden? Und bringt so eine Therapie überhaupt etwas?

Herzliche Grüße
Jenny K.

Ich arbeite als Verhaltenstherapeutin und Liebescoach in freier Praxis in Hamburg-Blankenese und St. Pauli. In meiner Promotion habe ich zum Zusammenhang zwischen der Beziehungspersönlichkeit und dem Glück in der Liebe geforscht und anschließend zwei Bücher über die Liebe geschrieben.

Informationen zu meiner therapeutischen Arbeit finden Sie unter www.julia-peirano.info.

Haben Sie Fragen, Probleme oder Liebeskummer? Schreiben Sie mir bitte (maximal eine DIN-A4-Seite). Ich weise darauf hin, dass Anfragen samt Antwort anonymisiert auf stern.de veröffentlicht werden können.

Liebe Jenny K.,

ich kann Ihren Unmut und Ihre Skepsis gut nachvollziehen. Es hört sich so an, als wenn Sie ständig von Ihrer Freundin angeklagt werden und sich rechtfertigen müssen, obwohl sie sich nichts zuschulden kommen lassen haben.

Wenn Sie während Ihrer Beziehung mit anderen Personen flirten, anderen zweideutige Nachrichten schreiben, mit ihnen in Hotels in Berlin fahren oder auch starke Gefühle äußern würden, wäre das eine Bedrohung Ihrer Beziehung und es wäre verständlich, wenn Ihre Freundin auf diese Bedrohung mit Diskussionen und Konflikten reagiert.

Aber die Ereignisse, um die es geht, liegen alle in der Vergangenheit, zu Zeiten, in denen Sie mit Ihrer Freundin nicht zusammen waren. In einer Beziehung sein heißt ja auch, sich auf jemanden zu beziehen und mit ihm zu klären, was in Ordnung ist und was nicht. Man könnte allenfalls VOR einer Beziehung prüfen, ob man mit einem Menschen, der eine bestimmte Vergangenheit hat (z.B. schon verheiratet war; mit über 100 Personen Sex hatte; eine Drogenkarriere hatte) überhaupt eine Beziehung eingehen möchte – das ergibt einen gewissen Sinn.

Ihre Freundin verlangt aber etwas Unmögliches von Ihnen: Sie sollen die Absprachen, die jetzt während Ihrer Beziehung gelten, rückwirkend auf Ihre gesamte Vergangenheit anwenden und sich dementsprechend verhalten, damit sie sie nicht verletzen. Und natürlich können Sie die Vergangenheit nicht verändern, und wahrscheinlich wollen Sie das auch nicht, weil Ihre Geschichte Sie ja zu dem Menschen gemacht hat, der Sie jetzt sind. Sie müssten Gefühle, die Sie für andere Menschen hatten, und Erfahrungen, die Sie mit ihnen gemacht haben, negieren, weil Ihre Freundin sonst Verlustängste bekommt.

Wir alle müssen uns damit abfinden, dass unser:e Partner:in eine Vorgeschichte hat und vor uns Gefühle für andere Menschen hatte. Ich kenne Menschen, denen das ziemlich egal ist, und andere, denen die eine oder andere "Altlast" des Partners doch zu schaffen macht. Insbesondere, wenn man befürchtet, dass die Expartnerin oder der Expartner mehr geliebt wurde oder einem selbst überlegen war.

Dennoch ist es für Erwachsene eine Aufgabe, einen Umgang mit diesen Gefühlen zu finden. Wichtig ist es, zu differenzieren:

In einer Therapie würde man diese Unterscheidung gemeinsam vornehmen und im ersten Fall die alten Verletzungen bearbeiten, die ja nicht im Verantwortungsbereich des Partners liegen. Im zweiten Fall würde man dort ansetzen, seine eigenen Grenzen in der Beziehung aufzuzeigen oder zu überlegen, ob man Absprachen in der Beziehung trifft, damit man zukünftigen Verletzungen vorbeugen kann, oder ob die Verletzungen so gravierend sind, dass man sich trennen will.

Grundsätzlich können Therapien bei Eifersucht helfen. Aber dafür gibt es wichtige Voraussetzungen, und eine davon ist, dass man selbst bereit ist, hart an sich zu arbeiten. Dazu muss man erst einmal eine:n kompetente:n Therapeut:in finden, was nicht leicht ist. Wenn Partner:innen oder Elternteile Therapeut:innen anschrieben, ist das aus meiner Sicht kontraproduktiv! Denn eine Therapie ist nur wirksam, wenn man selbst motiviert ist, sich zu verändern. Das würde ich bezweifelnl, wenn man nicht einmal die Mühe auf sich nimmt, Therapeut:innen anzuschreiben.

Es gibt auch viele Menschen, die eine Therapie eher in der Rolle des Zuschauers oder Beobachters wahrnehmen. Sie gucken sich das mal an, hören sich die Vorschläge an, aber vergessen sie dann auch schnell wieder. Oder sie berichten nur die Hälfte von dem, was relevant ist. Manche Menschen verschweigen das eigene Suchtverhalten oder den eigenen Anteil an partnerschaftlichen Konflikten.

Wichtig zu wissen ist: Für Menschen, die nicht wirklich etwas verändern wollen, kann es nützlich sein, den Therapiestatus zu haben. Sie können vor sich und ihren Angehörigen sagen, dass sie doch in Therapie sind und dass sie Geduld haben sollen. Das kann den Vorteil haben, dass sie damit die Hoffnung auf Veränderung aufrechterhalten. Manchmal ist es wie eine Baustelle (öfter auch in Südeuropa zu beobachten): Auf dem Grundstück ist eine Baustelle eingerichtet, alles abgezäunt, aber keiner erscheint zur Arbeit. Und so wird das Haus natürlich nie fertig, sondern die Grundmauern der ersten Etage verfallen wieder.

Man kann das natürlich nicht pauschalisieren. Die meisten Menschen nutzen ihre Chance, in Therapie zu sein und sehr viele verändern sich stark und lösen viele Ihrer Probleme. ABER es gibt eben auch einige Patient:innen, die nicht am Ball bleiben, Termine verschieben oder sich die Inhalte nicht merken, ihre Therapie-Hausaufgaben nicht machen und Ausreden finden, warum sie gerade so viel Stress haben, dass sie nicht an ihrem eigentlichen Thema arbeiten können. Man nennt das auch ein komplexes Vermeidungsverhalten, und nicht immer können wir Therapeuten das auflösen, insbesondere wenn jemand nicht regelmäßig kommt und sich nicht einlässt.

Da das, was in Therapiesitzungen besprochen wird, vertraulich ist, erfährt der Partner oder die Partnerin nicht, ob "gebaut" wird oder die Baustelle vor sich hindümpelt.

Mein Rat ist: Schauen Sie, wie Ihre Partnerin von sich aus über die Therapie redet, wie sehr sie am Ball bleibt, um eine:n Therapeut:in zu finden, ob Sie Ihnen etwas von Erkenntnissen und Einsichten aus den Sitzungen erzählt und vor allem, ob sie Verantwortung für Ihre eigenen Gefühle übernimmt und sich um Verletzungen kümmert, die nichts mit Ihnen zu tun haben.

Spätestens nach einem Jahr sollten sich da Veränderungen zeigen. Wenn das nicht eintrifft, ist die Prognose eher ungünstig.

Herzliche Grüße
Julia Peirano

QOSHE - Meine Freundin ist krankhaft eifersüchtig – würde eine Therapie helfen? - Dr. Julia Peirano
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Meine Freundin ist krankhaft eifersüchtig – würde eine Therapie helfen?

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23.04.2024

Liebe Frau Peirano,

ich (w, 32 Jahre) bin seit zwei Jahren mit meiner Freundin zusammen und wir haben eine gemeinsame Wohnung. Grundsätzlich verstehen wir uns gut und teilen die Liebe zu unseren Tieren (2 Hunde und Pferde). Aber meine Freundin klammert sehr.

Sie ist sehr eifersüchtig auf meine Kolleginnen bei der Arbeit, mit denen ich eine rein freundschaftliche Beziehung habe, und sogar auch auf meine Ex-Beziehungen. Ich bin bisexuell und war länger mit einem Mann zusammen. Das konnte meine Freundin überhaupt nicht verstehen, sie löchert mich immer wieder mit Fragen. Was haben wir zusammen gemacht, wohin sind wir zusammen gereist, wie war es im Bett mit ihm, war es intensiver als mit ihr, wie sehr habe ich ihn geliebt.

In Bezug auf Ex-Freundinnen und kürzere Bekanntschaften macht sie das gleiche. Sie will alles genau wissen, was war, und ist dann traurig und verunsichert, wenn sie Dinge hört, die ihr nicht gefallen. Als sie zum Beispiel erfahren hat, dass ich mit meinem Exfreund in dem gleichen Hotel in Berlin übernachtet habe wie mit ihr, hat sie das ganze Wochenende darauf herumgehackt.

Ich kann es ihr nicht recht machen. Wenn ich meine Gefühle für frühere Partner:innen herunterspiele, fragt sie mich, warum ich denn dann so lange mit ihnen zusammen war, wenn ich keine Gefühle für sie hatte. Wenn ich sage, dass ich sehr verliebt war, fragt sie mich, ob ich eines Tages auch nicht mehr in sie verliebt bin und mich trennen möchte.

Mich erschöpft und ermüdet das sehr, und es macht irgendwie auch meine bisherigen Beziehungen kaputt, wenn ich mich dafür rechtfertigen muss und angeklagt werde. Ich habe manchmal auch schon Dinge nicht erzählt, weil ich gewusst habe, dass dann wieder das ganze Drama losgeht. Aber das waren alles Dinge aus der Vergangenheit, also vor unserer Beziehung. Und wenn sie es dann doch herausgefunden hat, weil sie z.B. Fotos gesehen hat, ging es wieder los mit dem Anklagen.

Nach dem letzten "Ausbruch", als wir ein ganzes Wochenende diskutiert haben, weil ich zu einer beruflichen Veranstaltung wollte, auf der auch eine Exfreundin sein könnte, und meine jetzige Freundin mir gesagt hat, ich solle da auf keinen Fall hingehen, habe ich mir überlegt, ob ich mich trennen soll.........

© stern


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