Artikel vom 13.01.2024

Die Ampel will ab dem 1. April den privaten Konsum und Besitz von Cannabis in bestimmten Grenzen legalisieren. Die Grünen berufen sich dabei vor allem auf die angeblich positiven Erfahrungen im US-Bundesstaat Colorado.

Das nächste gesellschaftspolitische Großprojekt der Ampel-Koalition steht, mit leichter Verzögerung, vor der Tür: Ab dem 1. April soll die bisher illegale Droge Cannabis für den privaten Konsum legalisiert werden. Ab 18 Jahren wird laut dem Gesetzentwurf der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt, privat darf man bis zu drei „weibliche blühende Pflanzen“ Hanf anbauen.

„Das ist ein sehr komplexes Vorhaben. Es ist immerhin ein Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik der Bundesrepublik Deutschland“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), im Dezember im Interview mit dem Parlamentsfernsehen.

Während insbesondere CDU (Friedrich Merz: „Wir werden alles mobilisieren, dass das so nicht stattfindet“) und CSU (Markus Söder: „Ein Irrweg“) sowie die AfD („Nur medizinische Anwendung erlauben“) gegen die Legalisierung sind, gehört Kappert-Gonther seit Jahren zu den Vorkämpferinnen des Rechts aufs Kiffen. Die promovierte Humanmedizinerin aus Marburg rief in einer Rede im Bundestag im Februar 2018 die damalige schwarz-rote Bundesregierung auf: „Beenden Sie endlich die Gesundheitsgefährdung durch die Prohibition! Die Evidenz ist doch da. Wir brauchen keine neuen Modellprojekte. Schauen wir doch auf die guten Erfahrungen in Colorado und ganz aktuell in Kalifornien!“

Colorado hat als erster US-Bundesstaat seit dem 1. Januar 2013 die Legalisierung von Marihuana erlaubt. Washington State folgte, 2016 zogen Kalifornien, Maine, Massachusetts und Nevada nach, später auch New York und der Hauptstadt-Distrikt Washington D.C.

Inzwischen darf zudem in Oregon, Michigan, Vermont, Guam, Illinois, Arizona, Montana, New Jersey, Virginia, New Mexico, Connecticut, Rhode Island, Maryland, Missouri, Delaware, Minnesota und Ohio Marihuana für den Freizeitgebrauch, also nicht nur aus medizinischen Gründen, konsumiert werden. Präsident Joe Biden gab der Pro-Legalisierungs-Bewegung einen weiteren Schub, als er im Oktober 2022 versprach, er werde alle Personen begnadigen, die wegen einfachen Marihuanabesitzes auf Bundesebene verurteilt wurden. Gleichzeitig forderte er die Gouverneure auf, in ihren Bundesstaaten ähnliche Schritte zu unternehmen. Das Weiße Haus stellte allerdings gegenüber Journalisten kurz darauf klar, dass derzeit niemand wegen des einfachen Besitzes von Marihuana hinter Gittern sei.

Aber sind die Erfahrungen mit der Legalisierung des Kiffens zehn Jahre nach dem Beginn in Colorado wirklich so positiv, wie es Kappert-Gonther im Bundestag behauptete? Zahlen des Fachjournals „Missouri Medicine“ lassen dies bezweifeln.

„Seit der Legalisierung von Marihuana 2013 sind die Verkehrstoten, deren Fahrer positiv auf Marihuana getestet wurden, um 138 Prozent gestiegen, während die Zahl aller Verkehrstoten in Colorado um 29 Prozent anstieg“, wird in dem jüngsten Bericht vom September 2021 festgehalten. Der Prozentsatz von Todesfahrern unter Marihuana-Einfluss gemessen an sämtlichen Verkehrstoten stieg in der gleichen Zeit von 11 Prozent 2013 auf 20 Prozent im Jahr 2020.

Weiter heißt es unter Berufung auf die Daten von RMHIDTA (Rocky Mountain High Intensity Drug Trafficking Area), dass im Blut der Todesfahrer des Jahres 2020 unter Marihuana-Einfluss bei mehr als jedem Dritten (38 Prozent) ausschließlich das Cannabis-Produkt festgestellt wurde. Bei 25 Prozent wurde Marihuana in Kombination mit anderen Drogen nachgewiesen, bei 24 Prozent Marihuana zusammen mit Alkohol.

Der Trend bei den Verkehrstoten unter Marihuana-Einfluss zeigt dabei weitgehend stringent nach oben. Wurde die Hanfpflanze 2013 bei 71 Prozent der Todesfahrer festgestellt (14,8 Prozent von allen Todesfahrern), nahmen die Zahl und der prozentuale Wert seitdem mit leichten Schwankungen zu:

2014: 94 19,3 Prozent

2015: 115 21 Prozent

2016: 149 24,5 Prozent

2017: 162 25 Prozent

2018: 144 23 Prozent

2019: 149 25 Prozent

2020: 151 24,3 Prozent

Anzunehmen ist, dass die Covid-Pandemie 2020 sowohl den Fahrverkehr im US-Bundesstaat als auch die Erreichbarkeit von Marihuana-Shops reduziert hat.

Wurden 2015 lediglich 522 Autofahrer, deren Fahrweise Auffälligkeiten aufwies, positiv auf Cannabis getestet und deshalb in Arrest genommen, waren es 2020 bereits 5.020.

In dem Bericht aus dem September 2021 heißt es, im Vormonat sei die Nutzung der Hanfpflanze bei Menschen ab 12 Jahren um 21 Prozent gestiegen und liege damit um 61 Prozent höher als im US-Durchschnitt. Bei Bürgern über 18 Jahren stieg der Gebrauch um 20 Prozent (62 Prozent oberhalb US-Schnitt), bei jungen Leuten im College-Alter (18 bis 25 Jahre) um 10 Prozent (53 Prozent oberhalb US-Schnitt). Lediglich bei den 12 bis 17-Jährigen sank in diesem untersuchten Monat der Marihuana-Gebrauch um 22 Prozent, aber er lag damit immer noch um 39 Prozent oberhalb des US-Schnitts.

Auch die (durchaus logisch scheinende) Hoffnung der Befürworter insbesondere in den Reihen der Grünen, durch eine Legalisierung von Cannabis würde die Kriminalität im Drogensektor gesenkt werden, wurde in Colorado nicht bestätigt. Kam es 2013 zu 147 Festnahmen im Zusammenhang mit Marihuana-Delikten, waren es 2019 bereits 237 Verhaftungen. 2020 wurden nur 168 Festnahmen registriert, aber das führen die Experten auf das reduzierte öffentliche Leben infolge der Corona-Pandemie zurück.

Häufig angeführt wird von Legalisierungs-Befürwortern das Argument der zusätzlichen Staatseinnahmen. In die Kassen des Bundesstaates Colorado pumpte der legale Handel mit Marihuana im Jahr 2020 319 Millionen US-Dollar. Was eindrucksvoll klingt, relativiert sich in der Relation: Im 32,5 Milliarden-Dollar-Budget sind das gerade einmal 0,98 Prozent.

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Kiffen legalisieren? In den USA steigt Zahl der tödlichen Marihuana-Unfälle

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13.01.2024

Artikel vom 13.01.2024

Die Ampel will ab dem 1. April den privaten Konsum und Besitz von Cannabis in bestimmten Grenzen legalisieren. Die Grünen berufen sich dabei vor allem auf die angeblich positiven Erfahrungen im US-Bundesstaat Colorado.

Das nächste gesellschaftspolitische Großprojekt der Ampel-Koalition steht, mit leichter Verzögerung, vor der Tür: Ab dem 1. April soll die bisher illegale Droge Cannabis für den privaten Konsum legalisiert werden. Ab 18 Jahren wird laut dem Gesetzentwurf der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis erlaubt, privat darf man bis zu drei „weibliche blühende Pflanzen“ Hanf anbauen.

„Das ist ein sehr komplexes Vorhaben. Es ist immerhin ein Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik der Bundesrepublik Deutschland“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen), im Dezember im Interview mit dem Parlamentsfernsehen.

Während insbesondere CDU (Friedrich Merz: „Wir werden alles mobilisieren, dass das so nicht stattfindet“) und CSU (Markus Söder: „Ein Irrweg“) sowie die AfD („Nur medizinische Anwendung erlauben“) gegen die Legalisierung sind, gehört Kappert-Gonther seit Jahren zu den Vorkämpferinnen des Rechts aufs Kiffen. Die promovierte Humanmedizinerin aus Marburg rief in einer Rede im Bundestag im Februar 2018 die damalige schwarz-rote Bundesregierung auf: „Beenden Sie endlich die Gesundheitsgefährdung durch die Prohibition! Die Evidenz........

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