Artikel vom 22.02.2024

"Johannes 14,6": Konvertierter Muslim soll mit dezentem Aufkleber auf der Heckscheibe "illegale religiöse Werbung" betrieben haben. Jalil Mashali wehrt sich gegen den Bescheid: Nur Ausdruck meiner persönlichen Überzeugung.

Die Stadt Essen hat einem Taxifahrer einen Bußgeldbescheid ausgestellt, weil er einen Aufkleber mit einem Bibelvers auf der Heckscheibe seines Fahrzeugs ausgestellt hatte. Das berichtet die christlich orientierte Menschenrechtsorganisation ADF International in einer Pressemitteilung. Die Behörden, so AFD (Alliance Defending Freedom), hatten im Oktober 2023 dem Taxifahrer Jalil Mashali aufgrund des Zitats: „Jesus – Ich bin der Weg. Die Wahrheit. Und das Leben“ vorgeworfen, unerlaubte „religiöser Werbung“ zu betreiben. Sie forderten Mashali auf, sich zu dem Vorwurf zu äußern und drohten ihm ursprünglich mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro.

Der Fall hatte bereits Anfang Dezember 2023 für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Damals riet laut dem christlichen Medienmagazin „pro“, das ebenfalls über den Fall berichtete, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, Michael Oppermann, seinem Kollegen, „seinen Glauben auf andere Art auszudrücken und zu leben“. Jetzt stellte die Stadt einen Bußgeldbescheid von insgesamt 88,50 EUR aus. Der aus dem Iran stammende christliche Konvertit legt nun Einspruch ein. ADF International unterstützt nach eigenen Angaben seinen Fall.

„Jesus ist das Beste, was ich jemandem empfehlen könnte, weil er mein Leben verändert hat. Deshalb möchte ich den Aufkleber auf meinem Taxi lassen, damit ihn jeder Interessierte sehen kann. Ich will keinen Ärger machen, aber ich habe auch nichts Falsches getan. Ich bin dankbar für dieses Land, in dem jeder die Freiheit haben sollte, seinen Glauben zu teilen. Ich hoffe das weiterhin tun zu können, indem ich Einspruch einlege“, zitiert die Organisation Jalil Mashali. Der Bibelvers stammt aus Johannes 14,6.

Lidia Rieder, promovierte Juristin bei ADF international, sagt dazu: “In einer freien Gesellschaft sollte die Regierung friedliche Glaubensbekundungen weder unterdrücken noch zensieren. Mashalis Handeln ist durch das grundlegende Menschenrecht auf Religionsfreiheit geschützt. Das beinhaltet auch, das Recht seine Überzeugungen öffentlich kundzutun. Der Staat darf diese Freiheit nicht ohne Rechtfertigung einschränken.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte 1998 geurteilt, Taxis hätten eine wichtige Funktion im öffentlichen Personennahverkehr und nähmen eine Daseinsvorsorge für jedermann ein. Vor diesem Hintergrund prüften die Behörden die Anbringung des Bibelverses.

Im Oktober 2023 erhielt Mashali einen Brief von der Straßenverkehrsbehörde in Essen. Darin wurde ihm ein Bußgeld von bis zu 1000 Euro wegen des Bibelverses angedroht. Laut einem Foto, das AFD übermittelt hat (siehe oben), ist der Vers mit weißen Buchstaben auf schwarzem Grund recht dezent an der linken unteren Kante des Heckfenster angebracht. Die Größe der Schrift beträgt schätzungsweise maximal ein Drittel der Buchstabengröße auf dem Nummernschild. Ein weißes Kreuz innerhalb des Spruchs ist gut doppelt so hoch wie die Buchstaben.

Der nun ergangene Bußgeldbescheid der Stadt beläuft sich auf 60 EUR, wobei Gebühren hinzukommen und den Betrag damit auf 88,50 EUR erhöhen. Nimmt die Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid trotz Mashalis Einspruch nicht zurück, so würde sie den Vorgang über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht zur Entscheidung weiterleiten, informiert die in den USA ansässige, aber international aktive ADF.

Die Stadt Essen argumentiert, der Aufkleber sei unzulässige „religiöse Werbung“, die nach der Personenverkehrsverordnung (BOKraft) auf Taxen nicht erlaubt ist.

Generell ist auf Taxen Außenwerbung nur auf den Seitentüren erlaubt, nicht aber auf dem Heck. Mashali betont hingegen, es handele sich bei dem Bibelvers nicht um religiöse Werbung. Der Aufkleber sei vielmehr Ausdruck seiner Überzeugung. Aufgrund des Inhalts, der Platzierung am unteren Rand der Heckscheibe sowie der überschaubaren Größe könne der Aufkleber nicht als Werbung eingestuft werden.

Bekehrung zum Christentum

Mashali lebt bereits seit 22 Jahren in Deutschland, so ADF. Geboren und aufgewachsen sei er als gläubiger Muslim im Iran. Nachdem er im Alter von 13 Jahren bei einem Verkehrsunfall seinen linken Unterschenkel verlor, litt er selbst nach mehreren Operationen noch an chronischen Schmerzen. Er lebte und arbeitete noch mehrere Jahre im Iran. Schließlich heiratete er und bekam zwei Söhne.

Im Alter von 33 Jahren kam er zur ärztlichen Behandlung nach Deutschland, in der Hoffnung, die Schmerzen in seinem Bein lindern zu können. Obwohl er insgesamt über 20 Operationen über sich ergehen lassen musste und schließlich eine Prothese erhielt, blieben die Schmerzen unerträglich. Mashali erwog daraufhin, so die konservative Menschenrechtsorganisation, sich noch im Krankenhaus das Leben zu nehmen. Kurz davor sei eine Christin auf ihn zugekommen und habe ihm angeboten, für ihn zu beten. Obwohl er skeptisch gewesen sei, habe er das Angebot angenommen. Als die Schmerzen in seinem Bein nach ihrem Gebet völlig nachließen, begann er, in der Bibel zu lesen und bekehrte sich schließlich zum Christentum.

In den sozialen Netzwerken sorgt der Fall für Wirbel. Neben anderen hatte der NZZ-Redakteur Alexander Kissler die ADF-Presseerklärung mit den lakonischen Worten „Neues aus dem Abendland“ auf X (vormals Twitter) verbreitet. Die User reagierten mit ironischen Kommentaren wie: „Mit ‚Allahu Akbar‘-Aufkleber wäre das nicht passiert“ oder „Das passiert auch alle Nase lang, wenn Fahrer einen Koran im Taxi liegen lassen“.

QOSHE - Mini-Bibelspruch auf dem Heck: Dafür soll Taxifahrer in Essen Bußgeld zahlen - Ansgar Graw
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Mini-Bibelspruch auf dem Heck: Dafür soll Taxifahrer in Essen Bußgeld zahlen

7 3
22.02.2024

Artikel vom 22.02.2024

"Johannes 14,6": Konvertierter Muslim soll mit dezentem Aufkleber auf der Heckscheibe "illegale religiöse Werbung" betrieben haben. Jalil Mashali wehrt sich gegen den Bescheid: Nur Ausdruck meiner persönlichen Überzeugung.

Die Stadt Essen hat einem Taxifahrer einen Bußgeldbescheid ausgestellt, weil er einen Aufkleber mit einem Bibelvers auf der Heckscheibe seines Fahrzeugs ausgestellt hatte. Das berichtet die christlich orientierte Menschenrechtsorganisation ADF International in einer Pressemitteilung. Die Behörden, so AFD (Alliance Defending Freedom), hatten im Oktober 2023 dem Taxifahrer Jalil Mashali aufgrund des Zitats: „Jesus – Ich bin der Weg. Die Wahrheit. Und das Leben“ vorgeworfen, unerlaubte „religiöser Werbung“ zu betreiben. Sie forderten Mashali auf, sich zu dem Vorwurf zu äußern und drohten ihm ursprünglich mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro.

Der Fall hatte bereits Anfang Dezember 2023 für bundesweite Aufmerksamkeit gesorgt. Damals riet laut dem christlichen Medienmagazin „pro“, das ebenfalls über den Fall berichtete, der Geschäftsführer des Bundesverbandes Taxi und Mietwagen, Michael Oppermann, seinem Kollegen, „seinen Glauben auf andere Art auszudrücken und zu leben“. Jetzt stellte die Stadt einen Bußgeldbescheid von insgesamt 88,50 EUR aus. Der aus dem Iran stammende christliche Konvertit legt nun Einspruch ein. ADF International unterstützt nach........

© The European


Get it on Google Play