Artikel vom 08.02.2024

Erneut sah es nach einem Kompromiss zwischen Republikanern und Demokraten über Waffenlieferungen und Grenzkontrollen aus. Dann haute der Ex-Präsidenten dazwischen. Ohne seine Zustimmung läuft nichts mehr in Washington.

Die Welt ist in Unordnung – und die Republikaner im amerikanischen Kongress haben sich aus der gestaltenden Politik zurückgezogen. Dafür machen sie die Bühne frei für einen Präsidenten im Ruhestand, der zurück ins Weißes Haus möchte. Nichts geht mehr gegen Trump in Washington.

Jüngstes Beispiel: Ein Gesetzentwurf, der 60,1 Milliarden Dollar für die Ukraine, 14,1 Milliarden Dollar für Israel und 10 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe für Zivilisten in globalen Konflikten vorsieht und mit Maßnahmen zur Sicherung der Grenze der USA zu Mexiko verbunden hätte, wurde am Mittwoch im Senat erneut gestoppt. Es gab keine Zustimmung der Republikaner, nachdem aus deren ausgesprochen ungeordneten Reihen zwischendurch einmal mehr die Bereitschaft signalisiert worden war, dem Gesetz zuzustimmen.

Doch dann kam der Auftritt von Donald Trump. Der Ex-Präsident, der im November erneut für das Weiße Haus kandidieren möchte und beste Chancen auf eine Nominierung durch die Republikaner hat, erklärte am Montag in den sozialen Medien, dass „nur ein Narr oder ein linksradikaler Demokrat für dieses schreckliche Grenzgesetz stimmen würde". Es wäre "ein großes Geschenk an die Demokraten und ein Todeswunsch für die Republikanische Partei".

Mitch McConnell, Senator aus Kentucky und zumindest noch auf dem Papier Führer der Republikaner im Senat, wollte das Grenzgesetz verabschieden lassen. Er konnte sich jedoch intern nicht durchsetzen und hat damit eine Machtprobe gegen Trump und dessen Anhänger verloren.

McConnell hatte noch vorige Woche seine Kollegen intern beschworen, dieses Gesetz könne den enormen Zustrom von Migranten über die Grenze eindämmen und sei möglicherweise die letzte Chance für Jahre, das veraltete Einwanderungs- und Asylrecht zu reformieren.

Doch Trump hat erkennbar kein Interesse an einem solchen Deal zwischen Republikanern und Demokraten. Hatte der Milliardär schon 2016 seinen Wahlkampf gewonnen durch eine Konzentrierung auf die illegale Migration und sein (nie erfülltes) Versprechen, er werde eine Mauer entlang der Grenze im Süden bauen, möchte er das Einwanderungsdesaster erkennbar fortleben lassen. Es soll ihm erneut Munition für seine Wahlkampagne liefern.

Gegenwärtig sitzen die republikanischen Senatoren wieder zusammen und versuchen, einen Kompromiss zu finden. Der aber müsste nicht nur mehrheitsfähig in ihren Reihen sein, sondern auch die Zustimmung des Ex-Präsidenten finden. Und das wird schwierig.

Denn Trumps Einfluss auf die Republikanische Partei ist nach wie vor intensiv und vielschichtig – und im Wachsen begriffen. Er dirigiert von den Seitenlinien mehr und mehr Ausrichtung, Politik und Wahlstrategien der Republikaner. Es gibt etliche Beispiele für Trumps enorme Macht über die „Grand Old Party“, die derzeit eher alt als groß aussieht.

Trumps Haltung zu Themen wie der Ukraine-Hilfe und der Grenzpolitik prägt die Position der Republikanischen Partei maßgeblich und zeigt, dass er in der Lage ist, die Agenda der Partei zu bestimmen. Seine Opposition gefährdet Gesetzesvorhaben und zeigt, dass er bei der Festlegung der Prioritäten der Partei die entscheidende Rolle spielt. Dieser Einfluss erstreckt sich auch auf parteiübergreifende Bemühungen, bei denen seine Zustimmung oder Ablehnung über Erfolg oder Misserfolg von Gesetzesinitiativen entscheiden kann.

Jason Smith etwa, Abgeordneter aus Missouri und Vorsitzender des wichtigen Ausschusses "Wege und Mittel" im Repräsentantenhaus, konsultierte Trump, bevor er vorige Woche ein bedeutendes, 78 Milliarden Dollar schweres Steuerabkommen durch das Repräsentantenhaus brachte. Seine vorherige Rückversicherung illustriert die Rolle Trumps als wichtiger Partei-Oberaufseher, dessen Zustimmung in legislativen Angelegenheiten eingeholt wird. Trumps Ansichten entscheiden über das Schicksal von Gesetzesentwürfen und -initiativen, insbesondere über solche, die sich auf die Wahlchancen der Partei auswirken oder mit seinen politischen Präferenzen kollidieren könnten.

Bereits Trumps Herangehensweise an den Wahlkampf 2024 verdeutlichte seine beherrschende Stellung innerhalb der Partei. Er ließ die traditionellen TV-Debatten der Republikaner aus, um seinen Status als Spitzenkandidat zu unterstreiche. Das war Ausdruck seiner Entscheidung, sich gewissermaßen von seiner Anhängerschaft vorzeitig erneut aufstellen zu lassen, ohne in den Fernsehdebatten möglicherweise schlecht auszusehen. So konnte er zusehen, wie sich seine Möchte-gern-Konkurrenten gegenseitig angingen und mit Beginn der Primaries nach und nach zurückzogen – von Floridas Gouverneur Ron DeSantis über seinen einstigen Stellvertreter im Weißen Haus, Mike Pence, und New Jerseys früheren Gouverneur Chris Christie bis zu Tim Scott, Senator aus South Carolina. Aktuell ist nur noch Nikki Haley im Rennen, ehemalige Gouverneurin von South Carolina und einst von Trump ausgewählt als Botschafterin der USA bei den Vereinten Nationen. Aber Haley blieb in den bisherigen Primaries ohne Erfolg und kann möglicherweise nur darauf hoffen, dass Trump wegen seiner Rolle beim Sturm aufs Kapitol am 6. Januar 2021 vom Supreme Court um seine Kandidatur gebracht wird.

Trumps Umgang mit Kongressmitgliedern und seine Bemühungen um Unterstützung unterstreichen seinen strategischen Ansatz zur Konsolidierung der Macht innerhalb der Partei. Indem er enge Beziehungen zu den Gesetzgebern pflegt und sich häufig mit ihnen über politische Fragen berät, sichert sich Trump einen stetigen Strom von Unterstützung und Loyalität, der seine Führungsrolle stärkt. Dies hat sich in einer beträchtlichen Anzahl von Unterstützungen durch Mitglieder des Repräsentantenhauses und Senatoren niedergeschlagen, was seinen Einfluss auf die Richtung und die Entscheidungsprozesse der Partei nochmals verstärkt hat.

An Donald Trump führt bei den Republikanern derzeit kein Weg vorbei – und in der amerikanischen Politik regiert der einstige Immobilienentwickler, der als TV-Entertainer zur Berühmtheit wurde, längst wieder in zentraler Rolle mit. Und mutmaßlich steht er im November auf dem Wahlzettel.

Allerdings: Dass er Amtsinhaber Joe Biden dann schlagen wird, ist ganz und gar nicht ausgemacht. Schon 2016 gewann der Demokrat mit einem bundesweiten Vorsprung von über sieben Millionen Stimmen. Angesichts von Trumps fortgesetzten Lügen über die angebliche Wahlmanipulation, einen herbei fabulierten Sieg, der ihm gestohlen worden sei, und seine Rolle beim Sturm auf den Kongress dürfte die Zahl unabhängiger Wähler und moderater Republikaner noch zunehmen, die diesen Kandidaten nicht wählen wird.

Biden könnte indes verlieren, wenn er den Eindruck zulässt, nicht mehr fit fürs Amt zu sein. Je häufiger der 81-Jährige sich Pannen leistet wie in öffentlichen Reden den französischen Präsidenten Emmanuel Macron mit dessen längst verstorbenem Amtsvorgänger Francois Mitterrand zu verwechseln oder von Gesprächen mit Helmut Kohl zu erzählen, die zu einem Zeitpunkt Jahre nach dessen Ableben stattgefunden haben sollen, desto größer werden dadurch Trumps Chancen auf eine Rückkehr an die Macht. Dann hätte möglicherweise nicht der bis zur Wahl auch schon 78-Jährige (der übrigens ebenfalls mitunter Namen oder Orte in seinen Reden verwechselt) gegen Biden gewonnen, sondern der derzeitige Präsident sich selbst besiegt.

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Senat verweigert Ukraine Hilfe: Wie Donald Trump längst wieder die US-Politik regiert

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08.02.2024

Artikel vom 08.02.2024

Erneut sah es nach einem Kompromiss zwischen Republikanern und Demokraten über Waffenlieferungen und Grenzkontrollen aus. Dann haute der Ex-Präsidenten dazwischen. Ohne seine Zustimmung läuft nichts mehr in Washington.

Die Welt ist in Unordnung – und die Republikaner im amerikanischen Kongress haben sich aus der gestaltenden Politik zurückgezogen. Dafür machen sie die Bühne frei für einen Präsidenten im Ruhestand, der zurück ins Weißes Haus möchte. Nichts geht mehr gegen Trump in Washington.

Jüngstes Beispiel: Ein Gesetzentwurf, der 60,1 Milliarden Dollar für die Ukraine, 14,1 Milliarden Dollar für Israel und 10 Milliarden Dollar für humanitäre Hilfe für Zivilisten in globalen Konflikten vorsieht und mit Maßnahmen zur Sicherung der Grenze der USA zu Mexiko verbunden hätte, wurde am Mittwoch im Senat erneut gestoppt. Es gab keine Zustimmung der Republikaner, nachdem aus deren ausgesprochen ungeordneten Reihen zwischendurch einmal mehr die Bereitschaft signalisiert worden war, dem Gesetz zuzustimmen.

Doch dann kam der Auftritt von Donald Trump. Der Ex-Präsident, der im November erneut für das Weiße Haus kandidieren möchte und beste Chancen auf eine Nominierung durch die Republikaner hat, erklärte am Montag in den sozialen Medien, dass „nur ein Narr oder ein linksradikaler Demokrat für dieses schreckliche Grenzgesetz stimmen würde". Es wäre "ein großes Geschenk an die Demokraten und ein Todeswunsch für die Republikanische Partei".

Mitch McConnell, Senator aus Kentucky und zumindest noch auf dem Papier Führer der Republikaner im Senat, wollte das Grenzgesetz verabschieden lassen. Er konnte sich jedoch intern nicht durchsetzen und hat damit eine Machtprobe gegen Trump und dessen Anhänger verloren.

McConnell hatte noch vorige Woche seine Kollegen intern beschworen, dieses Gesetz könne den enormen Zustrom........

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