Artikel vom 26.12.2023

Laut einer wissenschaftlichen Studie an der University of Scranton erreichen nur acht Prozent der Menschen Ziele, die sie sich für das neue Jahr gesetzt haben.

Nun werden Sie – wie jedes Jahr – im Fernsehen Reporter sehen, die die Menschen in der Fußgängerpassage fragen, welche Ziele sie sich für das neue Jahr gesetzt haben. Da werden Sie vielleicht Passanten sehen wie den übergewichtigen Mann, der erklärt, er habe sich das Ziel gesetzt, abzunehmen, und dabei herzhaft in eine Bratwurst beißt und lacht. Er lacht über sich selbst, weil er – so wie jedes Jahr – schon kurz, nachdem er sich das Ziel gesetzt hat, kapituliert hat.

Laut einer wissenschaftlichen Studie an der University of Scranton erreichen nur acht Prozent der Menschen Ziele, die sie sich für das neue Jahr gesetzt haben. Der Ratschlag, den viele „Experten“ geben, lautet daher: Die Menschen sollten sich besser gar keine Ziele setzen, um nicht frustriert zu werden, oder sie sollten sich kleinere Ziele setzen. Viele Menschen verwenden die Begriffe „kleine“ und „realistische“ Ziele als Synonyme. Für sie sind nur kleine Ziele realistisch, große Ziele sind dagegen ihrer Meinung nach unrealistisch.

Ich vermute jedoch, dass die Menschen, die ihre großen Ziele nicht erreichen auch bei kleineren Zielen scheitern würden, weil sie die falsche Einstellung haben und vor allem keine Ernsthaftigkeit bei der Zielsetzung an den Tag legen.
Erik Weihenmayer hat die sieben höchsten Gipfel auf sieben Kontinenten bestiegen – einschließlich des Mount Everest. Fast alle sagten ihm, dies sei nicht möglich. Vor einigen Jahren führte ich ein Interview mit ihm und er sagte mir: „Weißt du, einige Leute sagten Dinge wie, dass ich nicht auf den Berg gehöre … Ich habe gehört, wie einer sagte, er würde mir auf den Gipfel folgen und ein Foto von meinem toten Körper machen, nur um etwas Geld mit den Medien zu machen. Ich nenne sie Neinsager und sie tun mir leid.“
Der Grund, warum kaum jemand glaubte, dass er dieses Ziel erreichen kann: Weihenmayer wurde mit einer unheilbaren Augenkrankheit geboren und ist seit seinem 13. Lebensjahr blind. Am 25. Mai 2024 ist es 23 Jahre her, dass er den Gipfel des Mount Everest bestieg und er auf dem Titelbild des „Time Magazine“ abgebildet wurde.
Wie erreichte Weihenmayer seine Ziele? „Ich verbrachte jeden Tag etwa 15 Minuten damit, mir vorzustellen, wie ich auf dem Gipfel stehe, bis zu dem Punkt, an dem ich den Schnee unter meinen Steigeisen knirschen hören würde. Ich würde das Knirschen hören, ich würde den Himmel fühlen, einfach die Kälte spüren, und ich würde die Herzen meiner Teamkollegen spüren, ich würde die Tränen spüren, ich würde buchstäblich anfangen zu weinen, weil ich dort war. Und als ich den Everest bestiegen habe, hatte ich ihn in meinem Kopf schon 100 Mal bestiegen. Ich denke also, dass diese Art von Glaubenssystem und diese Art der Programmierung in dein Unterbewusstsein enorm wichtig ist.“
Das heißt, die Visualisierung von Zielen und das „Einprogrammieren” in das Unterbewusstsein sind wichtige Methoden, um Ziele zu erreichen: „Stell dir vor, du bist oben und du bist da. Dann gibt dir das irgendwie Energie, weil du dieses Ziel im Kopf hast“, sagte Weihenmayer mir.
Neulich habe ich die beeindruckende Biografie über Elon Musk gelesen. Musk war stets ein Träumer, der sich große Ziele setzte – schon als Kind. Immer, wenn er sich ein Ziel gesetzt und es erreicht hat, setzt er sich das nächste große Ziel, zum Beispiel zum Mars zu fliegen!

Autoren wie Joseph Murphy („Die Macht ihres Unterbewusstseins“) oder Napoleon Hill („Denke nach und werde reich“) haben wichtige Hinweise gegeben, wie Menschen Ziele erreichen können, indem sie betonten, dass man sich Ziele in sein Unterbewusstsein einprogrammieren soll. Sie haben allerdings keine wirksame Technik benannt, auf welchem Weg man sich seine Ziele in das Unterbewusstsein einprogrammieren kann. Diese Technik ist das Autogene Training, weil sie es ermöglicht, durch eine besonders tiefe Entspannung den Zugang zu den tiefsten Schichten des Unterbewusstseins zu erlangen und diesem durch ständige Wiederholung von bestimmten Formeln Ziele einzuprogrammieren.
Man kann sich natürlich bestimmte Ziele, Bilder und Vorsätze auch „innerlich aufsagen“, ohne vorher autogen zu trainieren. Die Methode der Autosuggestion wurde schon im 19. Jahrhundert von Emile Coué entwickelt. Johannes Heinrich Schultz, der Begründer des Autogenen Trainings, würdigte einerseits diese Methode, wies jedoch andererseits darauf hin, Coué streue den „Samen“ seiner positiven Gedanken sozusagen in den Wind.
Seine Saat ginge nur unvollständig auf, weil ihm Kenntnisse zur notwendigen „Bodenkultivierung“ fehlten. „Anders als bei den formelhaften Vorsätzen und Leitsprüchen des Autogenen Trainings handelt es sich bei der ‚Methode Coué’ um ein Überreden und Einreden von angestrebten Zuständen ohne vorherige ‚Feldbestellung’. Es fehlt jene stufenweise Vorbereitung durch Selbsteinübung, die kennzeichnend für das Autogene Training ist.“
Ich selbst habe erfahren, dass diese Technik funktioniert; ich hätte viele meiner Ziele ohne die Anwendung des Autogenen Trainings niemals erreicht. Wenn das für dich unwahrscheinlich klingt, dann höre dir die Geschichte von dem Arzt Dr. Hannes Lindemann an, der in den 50er-Jahren als erster Mensch alleine in einem kleinen Serienfaltboot über den Atlantik segelte. Bis zum Jahr 2002 war dies das kleinste Boot, mit dem ein Mensch je den Atlantik überquert hatte.
Geschafft hat er es nur durch die Anwendung des Autogenen Trainings, einer Technik, die Anfang der 30er-Jahre von dem deutschen Arzt Prof. Dr. Dr. h.c. Schultz erfunden worden war und die es ermöglicht, wie bei einer Selbsthypnose im Zustand tiefster Entspannung bestimmte Ziele in das Unterbewusstsein einzuprogrammieren.
Sechs Monate vor dem geplanten Abfahrtstermin begann Lindemann, täglich mit dem Autogenen Training zu üben und sich Formeln einzuprogrammieren. „Ich schaffe es“, war eine der Formeln. Morgens früh begann er den Tag damit, dass er sich diese Formel einprägte. Während des Tages und noch einmal am frühen Nachmittag wiederholte er dies.
„Nach etwa dreiwöchigem Leben mit dem Vorsatz ‚Ich schaffe es’ wusste ich, dass ich die Fahrt heil überstehen würde.“ Während der Überquerung des Atlantiks kam dieser Vorsatz „Ich schaffe es“ immer wieder automatisch zum Vorschein. Als er am 57. Tag kenterte und eine lange Sturmnacht auf dem glitschigen Boot liegen musste, ehe er es im Morgengrauen wieder aufrichten konnte, drangen die im Autogenen Training einprogrammierten formelhaften Vorsätze aus dem Unterbewusstsein hervor.
Sein entscheidender Vorsatz lautete „Kurs West“. Bei dem leisesten Ausscheren aus dem Westkurs sollte automatisch in ihm „Kurs West“ erklingen. Das Schlafdefizit wurde unerträglich und es stellten sich Halluzinationen ein. Das Wort „West“ machte ihn jedoch sofort wieder wach, und er korrigierte den Kurs, sobald er davon abgekommen war. „Dieses Beispiel zeigt, wie formelhafte Vorsätze selbst Halluzinationen durchbrechen können. Ein Novum in der Medizin. Es zeigt aber auch, dass formelhafte Vorsätze so stark wie posthypnotische Suggestionen wirken können.“
Die Hypnose ist in der Tat der Ursprung des Autogenen Trainings. Der bereits erwähnte Erfinder dieser Technik, Professor Schultz, arbeitete Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Hypnoselaboratorium. 1932 schrieb er seine große und heute weltberühmte Monografie „Das Autogene Training – konzentrative Selbstentspannung“.
Beim Autogenen Training handelt es sich im Grunde genommen um eine Form der Selbsthypnose. Schultz hatte entdeckt, dass die Formeln, die ein Hypnotiseur gebraucht, auch von jedem selbst verwendet werden könnten, um in einen Zustand tiefster Entspannung zu gelangen, der es ermöglicht, die Tiefen des Unterbewusstseins zu erreichen.
Wer das Autogene Training beherrscht, verfügt nicht nur über eine hoch wirksame Entspannungstechnik, sondern er kann auch bestimmte Ziele tief in sein Unterbewusstsein einprogrammieren – ähnlich wie man ein Ziel in das Navigationssystem eines Autos eingibt.
So wie das Navigationssystem die Route berechnet und anzeigt, wie man fahren muss, so weist auch das Unterbewusstsein den Weg zu einem Ziel, das beim Autogenen Training einsuggeriert wurde.
Ich selbst betreibe das Autogene Training seit etwa vier Jahrzehnten, in vielen Phasen praktizierte und praktiziere ich es täglich. Ich habe jedoch nur wenige Menschen kennengelernt, die es wirklich beherrschen. Der Grund liegt nicht darin, dass es schwierig zu erlernen sei. Im Gegenteil. Es ist sogar sehr einfach, diese Technik zu erlernen. Allerdings muss man hierzu die ersten neun Monate mindestens zweimal am Tag konsequent üben – und hierzu fehlt den meisten Menschen leider die Disziplin.
Wie lange es dauert, bis man es erlernt hat, das ist von Mensch zu Mensch verschieden. Bei manchen stellen sich schon nach wenigen Wochen deutliche Wirkungen ein, bei anderen dauert es viele Monate. Der Begründer des Autogenen Trainings, Schultz, meinte: „Nach 600-maligem Üben hat es noch jeder gelernt.“ Beherrscht man die Technik einmal, dann verlernt man sie – ähnlich wie die Fähigkeit, zu lesen oder zu schreiben oder Fahrrad zu fahren – niemals mehr im Leben.
Beherrscht man diese Grundformeln und befindet sich dann in einem Zustand tiefster Entspannung, dann ist das Unterbewusstsein – ähnlich wie in der Hypnose – sehr aufnahmebereit für suggestive Formeln. Diese Formeln wirken besonders stark, wenn sie im Zustand absoluter Entspannung immer wieder in das Unterbewusstsein einprogrammiert werden. Es handelt sich hier um die wirksamste Form der Autosuggestion.

Eine ausführliche Anleitung zum Autogenen Training finden Sie hier:
https://zitelmann-freiheit.de/autogenes-training

QOSHE - Hier ist eine Methode, mit der Sie Ihre Ziele für 2024 erreichen - Rainer Zitelmann
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31.12.2023

Artikel vom 26.12.2023

Laut einer wissenschaftlichen Studie an der University of Scranton erreichen nur acht Prozent der Menschen Ziele, die sie sich für das neue Jahr gesetzt haben.

Nun werden Sie – wie jedes Jahr – im Fernsehen Reporter sehen, die die Menschen in der Fußgängerpassage fragen, welche Ziele sie sich für das neue Jahr gesetzt haben. Da werden Sie vielleicht Passanten sehen wie den übergewichtigen Mann, der erklärt, er habe sich das Ziel gesetzt, abzunehmen, und dabei herzhaft in eine Bratwurst beißt und lacht. Er lacht über sich selbst, weil er – so wie jedes Jahr – schon kurz, nachdem er sich das Ziel gesetzt hat, kapituliert hat.

Laut einer wissenschaftlichen Studie an der University of Scranton erreichen nur acht Prozent der Menschen Ziele, die sie sich für das neue Jahr gesetzt haben. Der Ratschlag, den viele „Experten“ geben, lautet daher: Die Menschen sollten sich besser gar keine Ziele setzen, um nicht frustriert zu werden, oder sie sollten sich kleinere Ziele setzen. Viele Menschen verwenden die Begriffe „kleine“ und „realistische“ Ziele als Synonyme. Für sie sind nur kleine Ziele realistisch, große Ziele sind dagegen ihrer Meinung nach unrealistisch.

Ich vermute jedoch, dass die Menschen, die ihre großen Ziele nicht erreichen auch bei kleineren Zielen scheitern würden, weil sie die falsche Einstellung haben und vor allem keine Ernsthaftigkeit bei der Zielsetzung an den Tag legen.
Erik Weihenmayer hat die sieben höchsten Gipfel auf sieben Kontinenten bestiegen – einschließlich des Mount Everest. Fast alle sagten ihm, dies sei nicht möglich. Vor einigen Jahren führte ich ein Interview mit ihm und er sagte mir: „Weißt du, einige Leute sagten Dinge wie, dass ich nicht auf den Berg gehöre … Ich habe gehört, wie einer sagte, er würde mir auf den Gipfel folgen und ein Foto von meinem toten Körper machen, nur um etwas Geld mit den Medien zu machen. Ich nenne sie Neinsager und sie tun mir leid.“
Der Grund, warum kaum jemand glaubte, dass er dieses Ziel erreichen kann: Weihenmayer wurde mit einer unheilbaren Augenkrankheit geboren und ist seit seinem 13. Lebensjahr blind. Am 25. Mai 2024 ist es 23 Jahre her, dass er den Gipfel des Mount Everest bestieg und er auf dem Titelbild des „Time Magazine“ abgebildet wurde.
Wie erreichte Weihenmayer seine Ziele? „Ich verbrachte jeden Tag etwa 15 Minuten damit, mir vorzustellen, wie ich auf dem Gipfel stehe, bis zu dem Punkt, an dem ich........

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