Artikel vom 03.01.2024

Was passiert, wenn der angeschlagene Joe Biden seine Kandidatur doch noch abbrechen muss? Der Gouverneur von Kalifornien gilt dann als Favorit für die Kandidatur der Demokraten.

Gavin Newsom steht bei dem US-Präsidentschaftswahlen 2024 noch nicht auf dem Wahlzettel. Aber er tut alles, als wäre es bereits so. Der smarte Gouverneur von Kalifornien schaltet landesweit Wahlkampfwerbung, er hat ein spendensammelndes Aktionskomitee "Campaign for Democracy" gegründet, trifft sich demonstrativ mit Benjamin Netanjahu in Israel wie Xi Jinping in China und lässt sich an der Chinesischen Mauer mit Pilotenbrille medienwirksam fotografieren. Mit dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, bestreitet er ein Wahlkampfduell im Fernsehen, obwohl doch nur DeSantis bislang erklärt hat, nächster US-Präsident werden zu wollen.
Kurzum: Newsom führt einen ziemlich lauten Schattenwahlkampf. Er ist der Kandidat, der offiziell keiner ist. Der Gouverneur gilt als der klare Favorit der Demokraten für den Fall, dass der angeschlagene Joe Biden doch noch aus dem Wahlkampfrennen aufsteigen muss - altersbedingt, gesundheitsbedingt oder weil die Umfragen weiterhin so desaströs bleiben wie derzeit. In der Partei kommt Unruhe auf, weil man Joe Biden in seinem zittrigen Zustand kaum mehr zutraut, Donald Trump oder die moderate Nikki Haley im Wahlkampf noch einmal zu schlagen. Newsom wäre dagegen die Verkörperung der neuen Generation.
Er ist telegen, smart, erfolgreicher Baseball-Sportler und eine moderne Inkarnation des liberalen Kaliforniens. Er war Bürgermeister von San Francisco und führte dort auf eigen Faust die Homosexuellen-Ehe ein. Ihn umweht ein Hauch von Hollywood - und so steigt er (obwohl er dessen politische Agenda ablehnt) immer wieder gezielt in die Fußstapfen von Ronald Reagan, der einst als schauspielernden Gouverneur von Kalifornien auch ins Weiße Haus gelang. Da passt es ins glamouröse Bild, dass er mit der frauen- und umweltbewegten Schauspielerin und Filmproduzenten Jennifer Siebel verheiratet ist.
Auf den ersten Blick wäre Newsom die perfekte Nachbesetzung für Joe Biden. Kalifornien spielt eine überragende Rolle für den politischen Zeitgeist der USA. Und Newsom nutzt diese Position, um seine Vision für ein modernes Amerika zu formulieren. Er beherrscht das Handwerk der Aktivismus-Politik aus der Exekutive heraus. Immer wieder startet er provokante Initiativen seiner links-grünen Agenda, insbesondere in der Klimapolitik. So startet er gerade einen Prozess gegen die Ölfirmen Exxon, Shell, Chevron, ConocoPhillips, und BP wegen ihrer angeblichen Mitschuld an der Erderwärmung. Newsom tritt offensiv für die gleichgeschlechtliche Ehe, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, eine allgemeine Krankenversicherung auch für illegale Migranten, die Legalisierung von Marihuana, strenge Waffengesetz sowie für die Rechte von Einwanderern. Den historischen Umgang mit der indigenen Bevölkerung bezeichnet er als Völkermord, und er ist einer der prominentesten Gegner der Todesstrafe.
Doch mit der kantigen Agenda beginnt auch das Risiko Newsoms. Er ist deutlich weiter links positioniert als Joe Biden, nur knapp rechts von Linksaußenveteran Bernie Sanders. Da Wahlen aber auch in Amerika in der Mitte gewonnen werden, müsste er sich moderater positionieren, um präsidentenfähig zu werden. Das tut er seit einigen Monaten auch. So machte er jüngst einen Rückzieher bei seinem Projekt für staatliche Injektionsstellen von Drogensüchtigen, dann stellte er sich in einem Tarifgesetz gegen die Gewerkschaften und schloss sich schließlich den Republikanern an, als er sein Veto gegen eine Initiative zum Verbot indischer Kastendiskriminierung einlegte, die er als "unnötig" bezeichnete.
Doch die Wahlkampfstrategen der Demokraten sorgt noch etwas anderes. Hinter der Fassade des Strahlemanns bietet Newsom auch Angriffsflächen im Persönlichen. So hat Newsom öffentlich zugegeben, Alkoholiker gewesen zu sein. Er meldet sich immer noch bei der Frau, von der er sagt, dass sie ihm durch seine Probleme geholfen hat - Mimi Silbert, Leiterin der Delancey Street Stiftung für Drogenberatung in San Francisco. Newsom sagt, dass er seit Jahren keine „Probleme" mehr mit dem Trinken habe und dass er "wieder ein wenig Wein genießt“.
Das zweite heikle Thema betrifft eine ausgeprägte Leseschwäche, er leidet an einer extremen Form von Dyslexie. Newsom spricht offen darüber, dass er zeitlebens schwer darunter gelitten, eine richtige Universität nicht besucht habe und noch nie im Leben einen Roman habe lesen können. Bis heute sei er bei Texturen auf Hörbücher und mündliche Zusammenfassungen angewiesen. Politische Gegner thematisieren das nun mit dem Hinweis, dass ein Mann, der nicht richtig lesen könne, unmöglich Präsident der USA werden dürfe.
Das dritte private Problem von Newsom betrifft seine variantenreiche Zuneigung zu Frauen, so hatte er schon mal eine schlagzeilenträchtige Affäre mit der Frau seines Wahlkampfmanagers. Newson war vor seiner jetzigen Ehe bereits mit der schillernden Fernsehmoderatorin Kimberly Guilfoyle vier Jahre verheiratet. Die Ironie der Geschichte will es, dass Guilfoyle heute mit Donald Trump Junior liiert ist. Es könnte also passieren, dass im Präsidentschafts-Wahlkampf des Jahres 2024 Gavin Newsom nicht nur auf Donald Trump trifft, sondern damit auch auf seine Ex als Schwiegertochter seines Rivalen.

QOSHE - Der US-Präsidenten-Joker ist Ex-Alkoholiker und kann kaum lesen - Wolfram Weimer
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Der US-Präsidenten-Joker ist Ex-Alkoholiker und kann kaum lesen

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03.01.2024

Artikel vom 03.01.2024

Was passiert, wenn der angeschlagene Joe Biden seine Kandidatur doch noch abbrechen muss? Der Gouverneur von Kalifornien gilt dann als Favorit für die Kandidatur der Demokraten.

Gavin Newsom steht bei dem US-Präsidentschaftswahlen 2024 noch nicht auf dem Wahlzettel. Aber er tut alles, als wäre es bereits so. Der smarte Gouverneur von Kalifornien schaltet landesweit Wahlkampfwerbung, er hat ein spendensammelndes Aktionskomitee "Campaign for Democracy" gegründet, trifft sich demonstrativ mit Benjamin Netanjahu in Israel wie Xi Jinping in China und lässt sich an der Chinesischen Mauer mit Pilotenbrille medienwirksam fotografieren. Mit dem Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, bestreitet er ein Wahlkampfduell im Fernsehen, obwohl doch nur DeSantis bislang erklärt hat, nächster US-Präsident werden zu wollen.
Kurzum: Newsom führt einen ziemlich lauten Schattenwahlkampf. Er ist der Kandidat, der offiziell keiner ist. Der Gouverneur gilt als der klare Favorit der Demokraten für den Fall, dass der angeschlagene Joe Biden doch noch aus dem Wahlkampfrennen aufsteigen muss - altersbedingt, gesundheitsbedingt oder weil die Umfragen weiterhin so desaströs bleiben wie derzeit. In der Partei kommt Unruhe auf, weil man Joe Biden in seinem zittrigen Zustand kaum mehr zutraut, Donald Trump oder die........

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