Artikel vom 23.01.2024

Die Umfragen sagen Donald Trump auch in New Hampshire einen Vorwahlsieg voraus. Er posiert schon als gefühlter Gesamt-Sieger. Doch Nikki Haley sollte man weder unterschätzen noch abschreiben - dafür gibt es drei gute Gründe.

Donald Trump triumphiert bereits. Nachdem der Florida-Gouverneur Ron de Santis aufgegeben und Trump zur Wahl empfohlen hat, scheint der Ex-Präsident auf der Opernhaus-Bühne von Rochester vor Selbstgefälligkeit schier zu platzen. Die Umfragen sagen ihm nach dem Triumph in Iowa auch in New Hampshire einen Vorwahlsieg voraus. Er liegt im Mittel der Umfragen 15 bis 20 Prozentpunkte vor seiner einzig verbliebenen Konkurrentin Nikki Haley. Und die Leitkommentare vieler Medien urteilen, die Vorwahl der Republikaner sei bereist am Dienstagabend entschieden - wenn Trump nach dem ländlich-konservativen Iowa nun auch im liberal-modernen New Hampshire gewinnt, wo soll er dann noch geschlagen werden?

Doch der Triumphzug Trumps könnte voreilig daher stolzieren. Es gibt drei gute Gründe, warum der Rechtspopulist in den Vorwahlen doch noch stolpern könnte.

Erstens unterschätzt Trump seine letzte verbliebene Konkurrentin auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Nikki Haley beschimpft er regelmäßig als „Spatzenhirn“ und lässt ihr schon mal einen Vogelkäfig vor das Hotelzimmer stellen. Doch Haley erweist sich als intelligent, rhetorisch schlagfertig und geschmeidig. Sie hat die liberalen, mittigen, jüngeren Republikaner-Milieus für sich gewonnen, auch die Wirtschaftselite der Republikaner neigt überwiegend ihr zu. Sie versammelt nun - da die Vorwahl zum Duell geworden ist - erstmals alle Republikaner hinter sich, die Donald Trumps zweite Amtszeit noch verhindern wollen. Ihre Spendeneinnahmen sind gewaltig. Haley ist daher mitnichten bereits geschlagen. Sie hat bereits angekündigt, in jedem Fall bis zum SuperTuesday am 5. März im Rennen zu bleiben, wenn in 14 Bundesstaaten zugleich Vorwahlen abgehalten werden, unter anderem auch im bevölkerungsreichen Kalifornien und in Texas.

Zweitens entfaltet Nikki Haley ein bemerkenswertes Momentum. Ihre Umfragekurven steigen seit Monaten systematisch. Sie startete 2023 als krasse Außenseiterin in einem Feld von 13 Kandidaten, doch dann gewann sie vier TV-Kandidatendebatten der Republikaner hintereinander und mobilisierte immer breitere Bevölkerungskreise. Haley lag in den Herbst-Umfragen in New Hampshire mit mageren, einstelligen Zustimmungswerten noch auf einem hoffnungslosen siebten Platz der Republikaner-Favoriten. Wenn sie nun im Winter - außer Trump - alle Konkurrenten ausgestochen hat und in New Hampshire etwa 40 Prozent der Parteibasis hinter sich versammeln kann, dann hat sie eine politische Bewegung ausgelöst, die weiter wachsen könnte. Dann würde die Zeit für sie spielen.

Drittens kann Haley darauf spekulieren, dass Donald Trump bis zum November den Wahlkampf plötzlich wird aufgeben müssen. Trump steckt in zahlreichen Gerichtsverfahren, ihm droht gar Gefängnis. Möglicherweise wird er zur Wahl aus verfassungsrechtlichen Gründen gar nicht zugelassen, weil er - wie das die Bundesstaaten Colorado und Maine bereits festgestellt haben - für den Sturm auf das Kapitol 2021 verantwortlich gemacht wird. Der 14. Zusatzartikel der US-Verfassung verbietet Teilnehmern und Unterstützern eines Aufstandes gegen die Verfassung die Wahlteilnahme.

Denkbar ist auch, dass der 77jährige Trump aus gesundheitlichen Gründen die Segel streichen muss. Trump kämpft mit Übergewicht und Bluthochdruck, hat deutlich abgenommen und im November eigens sein ärztliches Bulletin veröffentlicht, dass ihm eine angeblich glänzende Gesundheit attestiert. Alleine die Tatsache, das er dies nötig hat, nährt Zweifel an seiner körperlichen Stabilität.

In der vergangenen Woche hat Trump seine Herausforderin Nikki Haley öffentlich mit Nancy Pelosi verwechselt und Gerüchte befeuert, er leide an Demenz und baue rasch ab. Der ehemalige Kommunikationsdirektor von Trump, Anthony Scaramucci, beschreibt den Wettbewerb zwischen Trump und Biden als eine Wahl zwischen "dement" und „Demenz". Haley sagte in einem Interview mit Fox News, Politiker an der Staatsspitze müssten "auf der Höhe ihres Könnens" sein. "Wollen wir wirklich, dass sie mit Namen um sich werfen und Dinge falsch machen, wenn sie 80 Jahre alt sind und sich mit Putin und Xi und Kim und Nordkorea auseinandersetzen müssen?". Haley hat das hohe Alter von Biden und Trump früh adressiert und sich als Verkörperung der neuen Generation positioniert. Ihr könnte es daher passieren, dass sie - selbst wenn sie die frühen Vorwahlen nicht gewinnt - beim plötzlichen Ausscheiden von Trump doch noch Kandidatin wird, einfach weil sie den Platz zwei ausdauernd verteidigt und ausreichend viele Wahlmänner hinter sich versammelt hat.

Haley könnte daher eine 60 zu 40 - Niederlage in New Hampshire durchaus verkraften und ihr Momentum befeuern, da das Rennen nun zum Duell geworden ist - so wie sie es sich schon vor Monaten gewünscht und prophezeit hat. „Jetzt sind jetzt nur noch ein Mann und eine Frau übrig“, frohlockt die frühere UN-Botschafterin nach der Aufgabe von DeSantis. Haley spielt inzwischen auch die Genderkarte offensiver: „Möge die beste Frau gewinnen“, ruft sie ihren Unterstützern bei Wahlkampauftritten zu. Genüßlich zitiert sie auch Umfragen, wonach sie im direkten Duell den US-Präsidenten Joe Biden deutlich schlagen würde - wohingegen das bei Donald Trump ganz unsicher sei. Entscheidend für ihren Erfolg wird nun sein, ob sie in den kommenden Wochen einFaszinosum entfalten kann, dass die USA nicht nur erstmals von einer Präsidentin geführt werden könnten sondern auch von einer Versöhnungskandidatin der ausgleichenden Mitte. Der düstere Altherren-Wiederholungs-Wahlkampf zwischen Joe Biden und Donald Trump wird zwar mit einem Wahlsieg Trumps in New Hampshire wahrscheinlicher - sicher ist das aber noch lange nicht.

QOSHE - Triumphiert Trump zu früh? - Wolfram Weimer
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Triumphiert Trump zu früh?

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23.01.2024

Artikel vom 23.01.2024

Die Umfragen sagen Donald Trump auch in New Hampshire einen Vorwahlsieg voraus. Er posiert schon als gefühlter Gesamt-Sieger. Doch Nikki Haley sollte man weder unterschätzen noch abschreiben - dafür gibt es drei gute Gründe.

Donald Trump triumphiert bereits. Nachdem der Florida-Gouverneur Ron de Santis aufgegeben und Trump zur Wahl empfohlen hat, scheint der Ex-Präsident auf der Opernhaus-Bühne von Rochester vor Selbstgefälligkeit schier zu platzen. Die Umfragen sagen ihm nach dem Triumph in Iowa auch in New Hampshire einen Vorwahlsieg voraus. Er liegt im Mittel der Umfragen 15 bis 20 Prozentpunkte vor seiner einzig verbliebenen Konkurrentin Nikki Haley. Und die Leitkommentare vieler Medien urteilen, die Vorwahl der Republikaner sei bereist am Dienstagabend entschieden - wenn Trump nach dem ländlich-konservativen Iowa nun auch im liberal-modernen New Hampshire gewinnt, wo soll er dann noch geschlagen werden?

Doch der Triumphzug Trumps könnte voreilig daher stolzieren. Es gibt drei gute Gründe, warum der Rechtspopulist in den Vorwahlen doch noch stolpern könnte.

Erstens unterschätzt Trump seine letzte verbliebene Konkurrentin auf die republikanische Präsidentschaftskandidatur. Nikki Haley beschimpft er regelmäßig als „Spatzenhirn“ und lässt ihr schon mal einen Vogelkäfig vor das Hotelzimmer stellen. Doch Haley erweist sich als intelligent, rhetorisch schlagfertig und geschmeidig. Sie hat die liberalen, mittigen,........

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