Artikel vom 09.01.2024

Deutschland erlebt die größten Bauernproteste seit Jahrzehnten. Die Ampel gerät unter Druck.

Die Proteste der Bauern sind nicht nur spektakulär. Sie bringen die Ampelregierung auch in Bedrängnis. Die Koalition hat in der vergangenen Woche Teile der geplanten Steuererhöhungen für Landwirte bereits hastig zurückgenommen. Doch das wird nicht reichen. Die Proteste finden unerwartete Resonanz und die Ampelpolitik steht vor einer Zerreißprobe. Nach CDU und CSU stellen sich seit Montag auch die SPD-Ministerpräsidenten auf die Seite der Bauern und gegen die Ampel. Niedersachsens einflussreicher Regierungschef Stephan Weil lässt vermelden, es sei seine „dringende Empfehlung an die Bundesregierung, klaren Tisch zu machen“. Im ZDF-Morgenmagazin fordert Weil seinen eigenen Parteifreund und Kanzler auf: „Ich glaube, es wäre gut, wenn man diesen Konflikt beenden würde“.

Im politischen Berlin wird daher mit weiteren Zugeständnissen an die Bauern gerechnet. Das liegt nicht nur am unterschätzten Ausmaß der Proteste. Es gibt drei tiefere politische Gründe für das Fehlereingeständnis der Ampel.

Erstens sind die geplanten Steuererhöhungen für Bauern einseitig und unverhältnismäßig. Die Ampel hat in ihrer weihnachtlichen Haushaltsnot eine hastige Entscheidung getroffen, die deutschen Landwirte besonders hart zur Kasse zu bitten. Die im Dezember beschlossenen Steuererhöhungen hätten für eine durchschnittliche Bauernfamilie Zusatzabgaben von 3000 bis 6000 Euro im Jahr bedeutet. Das aber entspricht in den meisten Fällen einem durchschnittlichen Monatsgehalt, das plötzlich zusätzlich an den Staat zu zahlen ist, und also aus der familiären Haushaltskasse einfach wegfällt. Selbst Agrarminister Cem Özdemir spricht daher von einer sozial ungerechten, „überproportionalen Belastung“. Keiner anderen Bevölkerungsgruppe würde man handstreichartig ein komplettes Monatsgehalt wegnehmen. Die Protestwelle erfasst daher auch einen größeren emotionalen Raum der Landbevölkerung insgesamt. Das spüren die SPD-Ministerpräsidenten in ihren Flächenländern und wehren sich nun mitsamt der Opposition gegen die Ampelpolitik. Die Sorge dahinter - nun auch noch die Bauernfamilien an die AfD zu verlieren.

Zweitens wirken die Entscheidungen willkürlich und nach Klientel-Bestrafung. Da Bauern in ihrer überwältigenden Mehrheit traditionell keine Ampelparteien wählen, wirkt deren einseitige Sonderbelastung wie die politische Abstrafung von Andersdenkenden. Machtpolitisch schien der Ampel offenbar das Risiko, eigene Wähler zu verlieren, dort am geringsten. Doch staatspolitisch untergräbt diese Parteilichkeit nach Klientelen die Integrität von Regierungshandeln. Das gestörte Verhältnis von Grünen zur deutschen Bauernschaft ist das Sonderproblem einer Partei. Agrarminister Cem Özdemir laviert daher gerade unglücklich und dürfte seine Chancen, nächster Ministerpräsident von Baden-Württemberg zu werden, mit diesem Bauernkonflikt sinken sehen. Doch wenn die Bundespolitik insgesamt parteipolitischen Klientel-Erwägungen folgt, dann beschädigt sie das Gerechtigkeitsgefühl und die politische Kultur der Bundesrepublik. Darum reicht der Resonanzraum dieses Bauernprotests weit über Traktorenfahrer hinaus.

Drittens zerstören die einseitigen Steuererhöhungen das Vertrauen in die Politik der mittigen Vernunft. Wenn deutsche Bauern gegenüber ihrer internationalen Konkurrenz, vor allem gegenüber Frankreich und Polen, derart benachteiligt werden, führt das zu einem beschleunigten Höfesterben hierzulande und einer Verlagerung der Nahrungsmittelproduktion ins Ausland. Das kann nicht im Interesse Deutschlands sein, zudem ist es klimapolitisch schädlich, denn Nahrungsmittel werden dann nicht mehr regional produziert sondern lösen erhebliche Transportemissionen aus.

Damit verfestigt sich in der Bevölkerung der Eindruck, dass die derzeitige Politik etwas anderes sagt als sie eigentlich meint. Die Ampel sagt, es ginge ihr um „die Reduzierung klimaschädlicher Subventionen“. In Wahrheit aber braucht sie dringend frisches Geld und schafft es nicht, endlich zu sparen - etwa bei den umstrittenen, milliardenschweren Klimaentwicklungsgeldern.

Die Sprachverdrehung folgt dann einem propagandistischen Zweck. Denn es handelt sich mitnichten um Subventionen, wenn Bauern bislang 25 Cent Steuern auf einen Liter Agrardiesel zahlen, es künftig aber 47 Cent sein sollen. Beides sind Steuern, einmal moderate, das andre Mal extreme Steuern. Die Ampel versucht über das Subventions-Wording politische Akzeptanz zu schaffen - aber um den Preis der Wirklichkeitsverdrehung. Subventionen sind Staatshilfen, moderate Steuern sind hingegen keine Subventionen, sondern immer noch Steuern. Dass das Benchmarking von Extremsteuern als ein neues Normal definiert wird und alles, was darunter bleibt, plötzlich Subvention genannt wird, macht nicht nur Bauern Sorge. Denn dann wären auch normale Einkommenssteuern plötzlich Subventionen, wo doch alle auch Höchststeuern zahlen könnten. Die Sprache verrät eine in Schräglage geratene Finanzpolitik. Wenn Sondervermögen in Wahrheit Schulden und Subventionen in Wahrheit Steuern sind, dann untergräbt eine Regierung ihr Grundvertrauen.

Der Bauernpräsident Joachim Ruckwied spricht daher von einem Kipp-Punkt der Glaubwürdigkeit, und er trifft die kollektive Stimmung auf den Punkt. Der Bauernprotest entlarvt ein weiträumigeres Unbehagen an einer schlingernden, des-integrativen Politik der Ampel, die Deutschland stückweise absacken lässt. Die Republik steuert unsicher auf Europawahlen wie ostdeutschen Landtagswahlen zu, und die Umfragen signalisieren bereits ein politisches Erdbeben. Die Chancen von extremistischen Parteien sind so hoch wie noch nie. Die politische Mitte erodiert - und der Bauernprotest wirkt daher wie ein Fanal für das Jahr 2024. Von der Migrations- über die Industriestandort- bis zur Haushaltskrise werden zentrale Probleme der Republik derzeit nicht richtig gelöst. In Berlin kursiert in beiden Volksparteien bereits der sorgenvolle Spruch: „Wenn die politische Mitte die Probleme nicht löst, dann lösen die Probleme die politische Mitte auf.“

Ruckwied und seine Bauern werden daher wie in einem Brennglas des Politischen betrachtet. Er persönlich ist bei allem Drama alles andere als ein Extremist. Die Blockade des Bauern-Mobs im Hafen von Schlüttsiel kritisiert er laut und deutlich. Er bezeichnet die Aktion, bei der Vizekanzler Robert Habeck seine Fähre nicht verlassen konnte, als "No-Go". "Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht", mahnt Ruckwied. Als Präsident des Deutschen Bauernverbands (DBV) vertritt Rukwied seit elf Jahren rund 300.000 Landwirtschaftsbetriebe, zumeist bodenständige Bauernfamilien. Aus einer solchen kommt er selbst. Seine Eltern führten einen bäuerlichen Familienbetrieb in Eberstadt bei Heilbronn, den er 1994 übernommen hat – in achter Generation. Ruckwied ist verheiratet, hat drei Kinder, half anderen Bauern anfangs in Beratungsbüros, engagierte sich dann für die CDU im Gemeinderat von Eberstadt, war stellvertretender Bürgermeister der kleinen Kommune mit rund 3000 Einwohnern. Ruckwied kennt die Basis und gilt als resoluter, aber am Ende auch konzilianter Interessenvertreter seiner Bauernschaft. Dabei geht es ihm nicht nur um Geld, sondern auch um Respekt. Die deutsche Politik betreibe seit Jahren eine piesackende Politik gegen die Landwirte mit immer neuen Auflagen, Verboten und Kritik. In grün-linken Milieus würden Bauern als tierquälende Nervensägen und Subventionsschmarotzer diffamiert, klagen die Bauern. "Es reicht!“, ist daher Ruckwieds Losung. Der Verband fordere die komplette Rücknahme der Kürzungspläne "ohne Wenn und Aber“. Andernfalls treibe man immer mehr Bauern in den Ruin. Schon heute müssen in Deutschland durchschnittlich jeden Tag sieben Bauernhöfe schließen. Die Lage ist ernst.

QOSHE - Warum die Ampel ausgerechnet die Bauern opfert - Wolfram Weimer
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Warum die Ampel ausgerechnet die Bauern opfert

10 0
09.01.2024

Artikel vom 09.01.2024

Deutschland erlebt die größten Bauernproteste seit Jahrzehnten. Die Ampel gerät unter Druck.

Die Proteste der Bauern sind nicht nur spektakulär. Sie bringen die Ampelregierung auch in Bedrängnis. Die Koalition hat in der vergangenen Woche Teile der geplanten Steuererhöhungen für Landwirte bereits hastig zurückgenommen. Doch das wird nicht reichen. Die Proteste finden unerwartete Resonanz und die Ampelpolitik steht vor einer Zerreißprobe. Nach CDU und CSU stellen sich seit Montag auch die SPD-Ministerpräsidenten auf die Seite der Bauern und gegen die Ampel. Niedersachsens einflussreicher Regierungschef Stephan Weil lässt vermelden, es sei seine „dringende Empfehlung an die Bundesregierung, klaren Tisch zu machen“. Im ZDF-Morgenmagazin fordert Weil seinen eigenen Parteifreund und Kanzler auf: „Ich glaube, es wäre gut, wenn man diesen Konflikt beenden würde“.

Im politischen Berlin wird daher mit weiteren Zugeständnissen an die Bauern gerechnet. Das liegt nicht nur am unterschätzten Ausmaß der Proteste. Es gibt drei tiefere politische Gründe für das Fehlereingeständnis der Ampel.

Erstens sind die geplanten Steuererhöhungen für Bauern einseitig und unverhältnismäßig. Die Ampel hat in ihrer weihnachtlichen Haushaltsnot eine hastige Entscheidung getroffen, die deutschen Landwirte besonders hart zur Kasse zu bitten. Die im Dezember beschlossenen Steuererhöhungen hätten für eine durchschnittliche Bauernfamilie Zusatzabgaben von 3000 bis 6000 Euro im Jahr bedeutet. Das aber entspricht in den meisten Fällen einem durchschnittlichen Monatsgehalt, das plötzlich zusätzlich an den Staat zu zahlen ist, und also aus der familiären Haushaltskasse einfach wegfällt. Selbst Agrarminister Cem Özdemir spricht daher von einer sozial ungerechten, „überproportionalen Belastung“. Keiner anderen Bevölkerungsgruppe würde man handstreichartig ein komplettes Monatsgehalt wegnehmen. Die Protestwelle erfasst daher........

© The European


Get it on Google Play