Nicht dass ihr viele eine Träne nachweinten. Aber es ist im roten Small Talk dieser Tage eine der meistgestellten, wenn auch harmlosesten Fragen: Was wurde eigentlich aus Pamela Rendi-Wagner?

Eines geben inzwischen auch jene offen zu, die noch im Frühjahr mit allen Mitteln für ihren Verbleib an der SPÖ-Spitze kämpften: Die erste rote Ex-Parteichefin war im persönlichen Kontakt durchwegs gewinnend. Für den Job der roten Führungsfigur fehlten ihr aber schlicht der politische Instinkt, der Zug zum Tor und auch die nötige Portion Abgebrühtheit, um im Infight um Macht und Medienaufmerksamkeit eine tragende Rolle zu spielen.

Kommt dieser Tage in roten Zirkeln die Rede auf Andreas Babler, dann lebt bei vielen jene Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung wieder auf, die die Ära seiner Vorgängerin prägte. Das reicht von sanfter Kritik, "aus der Löwelstraße sollte jetzt bald mehr an Initiative kommen", bis zu apodiktischen Aussagen: "Das wird nix mehr, die Wahl 2024 können wir vergessen." Und dann gibt es noch diejenigen, die um ein paar Wochen Geduld ersuchen. Das mahnen vor allem jene ein, die sich mit dem Neuen machtpolitisch arrangiert haben. Zugleich aber pragmatisch genug bleiben, um zu glauben, dass Bablers bisheriger Kurs in einer Sackgasse mündet.

Sie proklamieren daher: "Bis zum Parteitag muss der Andi die SPÖ zusammenhalten, um dort personell und inhaltlich eine möglichst große Einigkeit unter Beweis zu stellen. Danach wird es auch Signale der Öffnung und in Richtung Mitte-Wähler geben."

Welche das personell oder inhaltlich sein könnten, vermögen auch die frischgebackenen Babler-Mitstreiter nicht zu sagen.

Alle Zeichen stehen darauf, dass auch nach dem Parteitag jener kleine und politisch enge Zirkel rund um Babler weiter den Ton angeben wird, der auch am Parteitag dieses Wochenende Regie führt. "Mit Klassenkampfparolen wird man über den Kreis der Stammwähler, die bestenfalls noch 20 Prozent ausmachen, nicht hinauskommen", resümiert ernüchtert ein Bundesländer-Spitzengenosse, der nicht aus dem Burgenland kommt.

"In der Löwelstraße wird bejubelt, dass die Partei Tausende neue Mitglieder gewonnen hat. Aber wie viele Wähler haben wir durch diesen neuen Kurs angezogen und wie viele haben wir dadurch verschreckt?", fragt ein ehemaliger roter Spitzenmann im Regierungsviertel rhetorisch.

Die Anfangseuphorie ist nur noch in jenen Zirkeln auszumachen, die den Außenseiter-Kandidaten mit einer roten Kreuzzugskampagne zur Nummer zwei bei der Mitgliederbefragung gemacht und mithilfe der verbissenen Doskozil-Gegner eine erfolgreiche Kampfabstimmung am Parteitag Anfang Juni durchgeboxt haben.

Sowohl das Rendi-Wagner-Lager als auch ihr ursprünglich einziger Herausforderer Hans Peter Doskozil hatten den Kampfgeist von Babler und seiner kleinen, aber verschworenen linken Fangemeinde unterschätzt, die sich seit Jahren ins rote Abseits verbannt fühlten.

"Babler ist nach Rendi-Wagner, die von Christian Kern handstreichartig zur Nachfolgerin gemacht wurde, der nächste schwere Betriebsunfall der SPÖ", resümiert ein besorgter SPÖ-Insider.

Wie auch immer, Fakt ist: Der Juso ohne abgeschlossene Berufsausbildung machte über die linke Blase hinaus erstmals als Bürgermeister der Gemeinde mit Österreichs größtem Flüchtlingslager von sich reden. Als Nachfolger seines Förderers und langjährigen SPÖ-Bürgermeisters Fritz Knotzer hatte es Babler in Traiskirchen trotz seiner Juso-Attitüde geschafft, dessen gut abgepolsterte Zweidrittelmehrheit zu halten.

Je weiter weg man sich freilich von den Winzergemeinden rund um Traiskirchen bewegt, desto weniger freundlich ist das Bild, das Babler-Kenner zeichnen: "Er hat gern das große Wort geführt, aber schon in seinen Juso-Tagen wenig Rücksicht auf andere genommen und war immer nur auf sein politisches Fortkommen bedacht."

Rote Politiker hatten im größten österreichischen Flächen-Bundesland, in dem die ÖVP Jahrzehnte mit absoluter Mehrheit und eiserner Faust regierte, ein mühsames und karges Auskommen. Die Not war offenbar aber nie so groß, dass ein breiter Ruf aus allen vier Vierteln des Landes in Richtung des Hobbywinzers erschallte: Andi, geh du voran.

Im Gegenteil: Als Anfang vergangenen Jahres absehbar war, dass die absolute Mehrheit für die ÖVP Geschichte sein wird, davon allein die FPÖ profitiert und die SPÖ endgültig im Out zu landen droht, unternahmen die roten Strippenzieher in Niederösterreich alles, um jeden Versuch des Traiskirchner Bürgermeisters, sich selber als Retter in der Not ins Spiel zu bringen, bereits im Keim zu ersticken. Die Genossen waren hellhörig geworden, weil Babler mithilfe einiger roter Promis mit Ex-Kanzler Christian Kern vom letzten Listenplatz aus einen Vorzugsstimmenwahlkampf gestartet hatte. Als am Tag nach der schmachvollen Niederlage für die Landesroten (sie stürzten von bescheidenen 24 auf knapp 20 Prozent ab) der Rücktritt von SPÖ-Landeschef Franz Schnabl trotz dessen Widerstands unausweichlich wurde, half Babler auch das zweitbeste SPÖ-Vorzugsstimmen-Ergebnis nichts.

Noch-Parteichef Schnabl hatte mithilfe des Parteiapparats mit 24.000 Vorzugsstimmen versus 21.000 für Babler Platz eins nur knapp verteidigen können.

Niederösterreichs rote Granden – allen voran der St. Pöltner Bürgermeister Matthias Stadler, AK-Chef Markus Wieser und der Trumauer Bürgermeister Andreas Kollross – hatten sich schon in den Wochen vor dem Wahldesaster auf Sven Hergovich, damals noch NÖ-AMS-Chef, als Schnabl-Nachfolger geeinigt. Vorzugsstimmen-Kronprinz Babler, der sich schon als SPÖ-Landesrat und neuer NÖ-Parteichef gesehen hatte, musste mit einem Sitz im Bundesrat vorliebnehmen – "dem Gut Aiderbichl für Politiker", wie ein ihm nicht besonders wohlgesonnener Genosse ätzt.

Nach dem Jetzt-erst-recht-Coup, aus der Underdog-Pose die ganze SPÖ zu übernehmen, wird für Babler freilich die Luft immer dünner.

Nach den tief enttäuschten Burgenländern setzt sich nicht nur der Wiener Bürgermeister und, trotz Blessuren, nach wie vor mächtigste Landesparteichef Michael Ludwig von der Bundes-SPÖ ab. Auch in den anderen Bundesländern gehen Genossen wie der Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer oder der Linzer Bürgermeister Klaus Luger offen oder, wie die meisten anderen, unausgesprochen auf Distanz zum Rendi-Wagner-Nachfolger. Babler gilt bei immer mehr SPÖ-Funktionären als Zauberlehrling, der die linken Geister, die er rief, um ihn in den Parteichefsessel zu katapultieren, nicht mehr loswird.

"Es haben nur wenige einen direkten Zugang zu Babler", sagen rote Insider. Mangelnde Kommunikation und Zugänglichkeit seien so auch für den Babler-Macher Michael Ludwig einer der Gründe gewesen, der Bundes-SPÖ den Rücken zu kehren.

In den obersten roten Zirkeln blüht und gedeiht indes ein Ondit, das viel mit der Gemengelage bei Bablers liebstem Klassenfeind gemein hat. Im Hause Nehammer ist die gelernte PR-Fachfrau Kathi darum bemüht, ihren Ehemann Karl allerorten ins rechte Licht gesetzt zu wissen. Im Hause Babler, so die rote Fama, hat Ehefrau Karin Blum das gewichtigste Wort, was den politischen Kurs der SPÖ anlangt. "Der Andi wäre weitaus pragmatischer als seine Frau, die noch felsenfester als er im linken Denken verwurzelt ist", so ein Bundesländer-Roter.

Die Stadt Traiskirchen, sagen teilnehmende Beobachter, führen die beiden längst wie ein Familienunternehmen: Andreas Babler als Bürgermeister, der mit möglichst vielen Traiskirchnern auf Du und Du ist. Und Karin Blum, die als SPÖ-Stadtparteichefin im Hintergrund den Kurs und die Ideen vorgibt.

"Babler hat ein großes Talent, den Kumpel für möglichst viele zu geben. Das geht sich auch in einer großen Gemeinde wie Traiskirchen noch aus, auf Bundesebene aber nicht mehr. Da kann man beim besten Willen nicht mit allen gut Freund sein. Da braucht man zündende Ideen, die möglichst viele vereinnahmen", resümiert ein langjähriger Babler-Kenner.

Trotz der Ankündigung, die Stadtgeschäfte angesichts des neuen Fulltime-Jobs an der SPÖ-Spitze in andere Hände zu übergeben, gibt es dafür null Anzeichen. Im Traiskirchner Gemeinderat war das bis heute kein Thema. Eine trend-Anfrage bei der SPÖ-Kommunikationschefin bleibt bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

"Wenn die SPÖ so weitermacht, kriegt ihn Traiskirchen spätestens Ende nächsten Jahres ohnehin wieder ganz zurück", merkt ein Stadtpolitik-Insider trocken an.

Ein roter Spitzenpolitiker sekundiert: "Inzwischen glauben auch bei uns immer mehr, dass er den Bürgermeisterposten bewusst nicht aufgibt. Wenn das mit der SPÖ bei den nächsten Wahlen nichts wird, fiele er ohne den Job in Traiskirchen ja vollkommen ins Leere."

Artikel aus trend. PREMIUM vom 10.11.2023

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Andi allein zu Haus [Politik Backstage]

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10.11.2023

Nicht dass ihr viele eine Träne nachweinten. Aber es ist im roten Small Talk dieser Tage eine der meistgestellten, wenn auch harmlosesten Fragen: Was wurde eigentlich aus Pamela Rendi-Wagner?

Eines geben inzwischen auch jene offen zu, die noch im Frühjahr mit allen Mitteln für ihren Verbleib an der SPÖ-Spitze kämpften: Die erste rote Ex-Parteichefin war im persönlichen Kontakt durchwegs gewinnend. Für den Job der roten Führungsfigur fehlten ihr aber schlicht der politische Instinkt, der Zug zum Tor und auch die nötige Portion Abgebrühtheit, um im Infight um Macht und Medienaufmerksamkeit eine tragende Rolle zu spielen.

Kommt dieser Tage in roten Zirkeln die Rede auf Andreas Babler, dann lebt bei vielen jene Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung wieder auf, die die Ära seiner Vorgängerin prägte. Das reicht von sanfter Kritik, "aus der Löwelstraße sollte jetzt bald mehr an Initiative kommen", bis zu apodiktischen Aussagen: "Das wird nix mehr, die Wahl 2024 können wir vergessen." Und dann gibt es noch diejenigen, die um ein paar Wochen Geduld ersuchen. Das mahnen vor allem jene ein, die sich mit dem Neuen machtpolitisch arrangiert haben. Zugleich aber pragmatisch genug bleiben, um zu glauben, dass Bablers bisheriger Kurs in einer Sackgasse mündet.

Sie proklamieren daher: "Bis zum Parteitag muss der Andi die SPÖ zusammenhalten, um dort personell und inhaltlich eine möglichst große Einigkeit unter Beweis zu stellen. Danach wird es auch Signale der Öffnung und in Richtung Mitte-Wähler geben."

Welche das personell oder inhaltlich sein könnten, vermögen auch die frischgebackenen Babler-Mitstreiter nicht zu sagen.

Alle Zeichen stehen darauf, dass auch nach dem Parteitag jener kleine und politisch enge Zirkel rund um Babler weiter den Ton angeben wird, der auch am Parteitag dieses Wochenende Regie führt. "Mit Klassenkampfparolen wird man über den Kreis der Stammwähler, die bestenfalls noch 20 Prozent ausmachen, nicht hinauskommen", resümiert ernüchtert ein Bundesländer-Spitzengenosse, der nicht aus dem Burgenland kommt.

"In der Löwelstraße wird bejubelt, dass die Partei Tausende neue Mitglieder gewonnen hat. Aber........

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