Staatsanwalt Gregor Adamovic macht schon in seinem Eröffnungsplädoyer klar, wem im Prozess gegen Kurz & Co. wegen falscher Zeugenaussage die Schlüsselrolle zukommt: "Angelogen wurden nicht die Abgeordneten, sondern Sie alle", proklamiert der Oberstaatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA). Kurz habe gewusst, dass seine Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen. Sein Motiv, so Adamovic: Eine wahrheitsgemäße Aussage stand in diametralen Widerspruch zum versprochenen "neuen Stil".

Der Anwärter um den Kronzeugenstatus, Thomas Schmid, habe vor der WKStA hingegen nicht nur unmissverständlich ausgesagt: Es habe keine einzige Personalentscheidung der ÖVP gegeben, die nicht von Sebastian Kurz abgesegnet worden war. Die Glaubwürdigkeit von Thomas Schmid sei auch dadurch belegt, dass er - als Voraussetzung für den Kronzeugenstatus - auch "neue, unbekannte Sachverhalte ausgesagt hat. Diese konnten durch andere Aussagen belegt werden. Bei Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli ist das genau umgekehrt", urteilt Adamovic.

Nach dieser donnernden Ouvertüre durch die Staatsanwaltschaft Mitte Oktober rüsten sich alle Beteiligten nun für den Hauptakt. Am 11. Dezember kommt es im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts erstmals zum Duell um die größere Glaubwürdigkeit zwischen Sebastian Kurz und Thomas Schmid. Die Polit-Freunde von gestern stehen sich demnächst auch in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung als erbitterte Feinde gegenüber.

Der Plot dieses türkisen Dramas in zwei Sätzen: Schmid machte einst dem frischgebackenem Staatssekretär für Integration beim Aufstieg an die ÖVP- und Regierungsspitze die Räuberleiter. Wenige Monate nach Einzug von Sebastian Kurz ins Kanzleramt erklomm der damalige Generalsekretär im Finanzministerium mühelos den Chefsessel der staatseigenen ÖBAG, seinen "Traumjob".

Das Warum und das Wie sind prozessentscheidend. Der Ex-Kanzler sorgte schon im Ibiza-U-Ausschuss nicht nur bei der Opposition für Unglauben, er sei darüber zwar "informiert", aber in die Entscheidung nicht "involviert" gewesen.

Die WKStA wird einmal mehr anhand von Chats aus dem Fundus von Thomas Schmid zu beweisen suchen, dass Kurz bei jedem entscheidenden Schritt den Daumen hob oder senkte. Und, so Adamovic, sogar "den Platzhalter" für den wegen seiner Russlandgeschäfte belasteten Wunsch-Aufsichtsratchef Siegfried Wolf ausgesucht habe.

Kommenden Montag will die WKStA erstmals auch einen gewichtigen Ohren- und Augenzeuge aufbieten. Die Ankläger setzen alles darauf, dass Thomas Schmid den Ex-Kanzler live der Lüge zeiht und mit seiner Aussage über das ÖVP-Innenleben und die Hintergründe der ÖBAG-Kür den Richter auf seine Seite zieht.

Zum ultimativen Härtetest für Schmid wird dann freilich seine Einvernahme durch den Richter und die Kurz-Anwälte. "In jedem Fall sind heftige Kontroversen zu erwarten", sagt ein juristisch kundiger Prozessbeobachter und Aktenkenner.

DER KRONZEUGE. Thomas Schmid vor dem parlamentarischen U-Ausschuss 2022: Wird er Sebastian Kurz jetzt vor Gericht live der Lüge zeihen?

Bei der Bewertung des Glaubwürdigkeit-Duells wird auch das Vorspiel zu diesem ultimativen Showdown eine Rolle spielen. Ins Visier der Justiz geriet anfangs allein Thomas Schmid. Im Gefolge des Ibiza-Video regnete es im türkis-blauen Wirtschafts- und Politikmilieu Strafanzeigen und Hausdurchsuchungen. Auslöser der strafrechtlichen Ermittlungen wegen Amtsmissbrauchs waren jede Menge SMS und WhatsApp-Nachrichten rund um Jobbegehrlichkeiten und Postenbesetzungen in staatsnahen Unternehmen.

Sie unterfüttern die Behauptung eines Ex-Casino-Managers, es habe einen Deal zwischen ÖVP und FPÖ gegeben: Strache-Freund Peter Sidlo wird Casino-Vorstand, Kurz-Freund Thomas Schmid im Gegenzug Alleinvorstand der ÖBAG.

In dieser Causa wird bis heute von der WKStA ermittelt. Ein Einstellungsantrag des Sidlo-Anwalts wurde dieses Frühjahr vom Landesgericht Wien verworfen. Begründung: Nach zeitraubenden Verzögerungsmanövern eines Steuerberaters habe sich der Anfangsverdacht weiter erhärtet. Mehrfach gut belegt ist jedenfalls der Vorwurf, Schmid habe sich seinen Spitzenjob in der ÖBAG maßgeschneidert. Das zeigen einschlägige Nachrichten auf seinem Handy, die von ihm zwar vor seiner Hausdurchsuchung noch panisch gelöscht, aber wieder hergestellt worden waren.

Im zivilen Wirtschaftsleben hätte allein auch das erste Jahrzehnt in seinem beruflichen Lebenslauf für Stirnrunzeln bei jedem Personalchef gesorgt. Schmid wechselte rasch und oft seine Chefs. Anfang der 2000er-Jahre startet er als Karenzvertretung im Pressebüro von Karl-Heinz Grasser. Haiders Jungstar KHG war damals gerade zur ÖVP übergelaufen. Danach soll Schmid die damalige Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer medial verkaufen. Als der Traum einer langen Kanzler-Ära Schüssel platzt, muss Schmid in den glanzlosen Job eines ÖVP-Klubsekretärs wechseln.

Als 2008 Josef Pröll zur ÖVP-Hoffnung aufsteigt, bemüht sich Schmid vergeblich um einen Platz an der neuen Sonne. Schmid kommt beim nur schwer verkäuflichen Außenminister Michael Spindelegger als PR-Mann unter. Seinen Job im Schatten des farblosen Schwarzen sieht er bald als Sackgasse und träumt von einem Diplomatenposten in New York oder Asien. Er schafft die Diplomatenprüfung Préalable erst im zweiten Anlauf. Auch der begehrte Auslandsjob bleibt ihm versagt.

Seine Stunde wittert Schmid, als Spindelegger 2011 Jungstar Sebastian Kurz zum Integrationsstaatssekretär macht. Die Kabinettsmitglieder des Kurz-Erfinders, Gernot Blümel, Alexander Schallenberg und Thomas Schmid, parteiintern die "Spindelegger Boys" gerufen, nehmen sich auf Wunsch ihres Chefs des 23-jährigen Staatssekretärs als politische Babysitter an.

Es macht sich für fast alle bezahlt. Sebastian Kurz installiert Blümel als Wiener ÖVP-Chef und Finanzminister. Schallenberg steigt vom Sekretär zum Sektionschef für Europafragen und schlussendlich zum Außenminister auf.

Nur der dienstälteste Vorzimmer-Strippenzieher, Thomas Schmid, geht bei der Top-Posten-Verteilung einmal mehr leer aus. Zumindest gelingt Schmid der Aufstieg zum Kabinettschef und bald auch zum Generalsekretär im Finanzministerium. Von dieser Schlüsselposition in der Hinterzimmerhierarchie versucht sich der ewige Sekretär bei Kurz noch nützlicher zu machen.

Schmids Traum von einem Topjob sollte sich dann mit der Übernahme der Führung der ÖBAG endlich erfüllen. Im Dezember 2018 schien das Projekt längst auf Schiene, als der türkise Parteichef offenbar kurzfristig kalte Füße bekam. "Kurz scheißt sich voll an", ärgert sich Schmid in einer SMS an seine engste Mitarbeiterin und Vertraute Melanie Laue.

Chats wie diese sind bereits zum geflügelten Wort geworden. Sie werden nun wohl neuerlich zum Beleg von Kurz tragender Rolle bei der Beförderung des ewigen ÖVP-Underdogs zum Chef der rund 30 Milliarden schweren Staatholding von der WKStA ins Spiel gebracht werden.

Kurz' Anwälte haben in einer ersten Gegenoffensive bereits beim jüngsten Prozesstag bislang unbekannte Chats aufgefahren, um die Glaubwürdigkeit von Thomas Schmid zu erschüttern: als einen höchst fragwürdigen Charakter, der Kurz auf der Vorderbühne hofiert, hinterrücks aber sabotiert und schlecht macht. In einem der jüngst vorgelegten Chats befürwortet Schmid willfährig eine von Kurz gewünschte Personalrochade. In einer fast zeitgleichen Nachricht rät Schmid postwendend Kurz' Wunschkandidaten dringend und deftig davon ab.

Offen ist, ob diese neuen Chats aus dem türkisen Intrigenstadl schon alles waren oder nur der Auftakt für weitaus schärfere neue Chat-Munition im Glaubwürdigkeitsduell Kurz versus Schmid. Wer immer aus diesem ersten Showdown als Gewinner hervorgeht, hat auch die besseren Karten für das nächste und weitaus gewichtigere Gerichtsverfahren.

Sollte die WKStA wie erwartet den Ex-Kanzler auch wegen Inseratenkorruption (Stichwort Beinschab-Tool) anklagen, ist mehr denn je die Glaubwürdigkeit des bislang wichtigsten Belastungszeugen ausschlaggebend: Thomas Schmid. Ob auch vor Gericht hält, was der Kronzeuge bei den WKStA-Einvernahmen verspricht, entscheidet sich kommenden Montag im Großen Schwurgerichtssaal.

Artikel aus trend.PREMIUM vom 7. Dezember´2023

QOSHE - Das Glaubwürdigkeits-Duell [Politik Backstage] - Josef Votzi
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Das Glaubwürdigkeits-Duell [Politik Backstage]

9 1
07.12.2023

Staatsanwalt Gregor Adamovic macht schon in seinem Eröffnungsplädoyer klar, wem im Prozess gegen Kurz & Co. wegen falscher Zeugenaussage die Schlüsselrolle zukommt: "Angelogen wurden nicht die Abgeordneten, sondern Sie alle", proklamiert der Oberstaatsanwalt der Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft (WKStA). Kurz habe gewusst, dass seine Aussagen nicht der Wahrheit entsprechen. Sein Motiv, so Adamovic: Eine wahrheitsgemäße Aussage stand in diametralen Widerspruch zum versprochenen "neuen Stil".

Der Anwärter um den Kronzeugenstatus, Thomas Schmid, habe vor der WKStA hingegen nicht nur unmissverständlich ausgesagt: Es habe keine einzige Personalentscheidung der ÖVP gegeben, die nicht von Sebastian Kurz abgesegnet worden war. Die Glaubwürdigkeit von Thomas Schmid sei auch dadurch belegt, dass er - als Voraussetzung für den Kronzeugenstatus - auch "neue, unbekannte Sachverhalte ausgesagt hat. Diese konnten durch andere Aussagen belegt werden. Bei Sebastian Kurz und Bernhard Bonelli ist das genau umgekehrt", urteilt Adamovic.

Nach dieser donnernden Ouvertüre durch die Staatsanwaltschaft Mitte Oktober rüsten sich alle Beteiligten nun für den Hauptakt. Am 11. Dezember kommt es im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts erstmals zum Duell um die größere Glaubwürdigkeit zwischen Sebastian Kurz und Thomas Schmid. Die Polit-Freunde von gestern stehen sich demnächst auch in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung als erbitterte Feinde gegenüber.

Der Plot dieses türkisen Dramas in zwei Sätzen: Schmid machte einst dem frischgebackenem Staatssekretär für Integration beim Aufstieg an die ÖVP- und Regierungsspitze die Räuberleiter. Wenige Monate nach Einzug von Sebastian Kurz ins Kanzleramt erklomm der damalige Generalsekretär im Finanzministerium mühelos den Chefsessel der staatseigenen ÖBAG, seinen "Traumjob".

Das Warum und das Wie sind prozessentscheidend. Der Ex-Kanzler sorgte schon im Ibiza-U-Ausschuss nicht nur bei der Opposition für Unglauben, er sei darüber zwar "informiert", aber in die........

© trend.


Get it on Google Play