Geht es nach den Leser:innen von Focus online, ist das Ergebnis eindeutig: 71 Prozent derer, die (bis 13. Februar) live abgestimmt haben, sind überzeugt, dass Donald Trump Präsident der USA wird. In den USA ist es laut Economist ebenso eindeutig, wenngleich Trumps Vorsprung dort mit etwa 45 Prozent vor dem amtierenden Präsidenten Joe Biden mit etwa 42 Prozent geringer ausfällt. Als sicher gilt, dass Trumps innerparteiliche Gegenspielerin Nikki Haley demnächst aufgeben, Trump damit die Vorwahlen für sich entscheiden und als Kandidat der Republikaner das Präsidentenamt für sich beanspruchen wird.

Es scheint, dass kein Weg an dem 77-jährigen Selbstdarsteller mit Großmachtgelüsten vorbeiführt.

Seine Gegner:innen greifen nach Strohhalmen. Einer davon ist der 14. Verfassungszusatz, dritter Absatz. Er stammt aus der Zeit nach dem Sezessionskrieg (1861 bis 1865) und sollte ursprünglich verhindern, dass Konföderierte an die Macht gelangen. Der Passus besagt, dass niemand, der einen Eid auf die Verfassung geleistet hat, und sich danach an einem Aufstand beteiligt, ein politisches Amt bekleiden darf.

Geht es nach Norma Anderson, hat Trump genau das getan: Am 6. Jänner 2021 stürmten Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump das Kapitol in Washington, nachdem Trump in einer Rede wahrheitswidrig gesagt hatte, dass ein groß angelegter Wahlbetrug der Demokratischen Partei seine zweite Amtszeit verhindert habe.

Die 92-jährige Norma Anderson gilt als republikanisches Urgestein, unbedingt konservativ, aber auch unbedingt mit Gewissen. Immerhin ist sie 2018 aus der Grand Old Party ausgetreten – aus Protest gegen Trump. Zurückgekehrt ist sie erst nach Ende seiner Präsidentschaft. Einige Parteimitglieder sahen in Norma Andersons Verhalten einen Verrat an den Republikanern. Für Norma Anderson war Trump der Verräter an den republikanischen Idealen.

Was Norma Anderson in Gang gesetzt hat, um Trump aufzuhalten, ist eines der für die USA typischen juristischen Tauziehen.

Dessen Vorgeschichte: Nachdem der bereits abgewählte, aber noch im Amt befindliche Präsident Trump in einer Rede wahrheitswidrig erklärt hatte, eine Verschwörung der Demokraten habe ihn das Amt gekostet, und er zum „Save America March“ aufgerufen hatte, stürmte am 6. Jänner 2021 ein Mob aus seinen Anhänger:innen das Kapitol in Washington. Trumps Rede wurde als Aufforderung zum Aufstand gewertet.

In der Folge wurde gegen Trump ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Allerdings: Schuldspruch und Amtsenthebung sind in einem solchen Verfahren nicht deckungsgleich. So erfolgte zwar mit 57 zu 43 Stimmen ein Schuldspruch. Da es jedoch für eine Amtsenthebung einer Zweidrittelmehrheit bedarf, ging Trump aus dem Verfahren als De-facto-Sieger hervor.

Dass nicht die erforderliche, wohl aber die relative Mehrheit gegen Trump stimmte, ist das Hintergrundrauschen im Gerichtsverfahren, das Norma Anderson anstrengte. Sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass Trump sich beim Sturm auf das Kapitol schuldig gemacht hat, könnte er zwar als Sieger aus den Vorwahlen hervorgegangen sein, dürfte aber dennoch nicht für das Präsidentenamt kandidieren.

Einen ersten Erfolg kann Norma Anderson bereits verbuchen: Das Oberste Gericht ihres Heimatstaates Colorado sperrte Trump für die Vorwahl am 5. März mit der Begründung, er sei vor und während des Angriffs auf das US-Kapitol an einem Aufstand beteiligt gewesen. Trump berief gegen das Urteil. Der Fall liegt nun beim Supreme Court, dem Obersten Gericht der Vereinigten Staaten. Dort allerdings sind die Republikaner:innen nicht nur in der Mehrheit, drei der Richter:innen sind von Trump ernannt. Deshalb gilt es als eher unwahrscheinlich, dass der Supreme Court gegen Trump entscheidet.

Doch das allein ist es nicht. Die ganze Situation ist in höchstem Maß heikel. Denn einerseits bietet das Verfahren Trump die Bühne dafür, wieder einmal die gegen seine Person laufende Hexenjagd zu beschwören und auf den unweigerlichen Jetzt-erst-recht-Effekt zu setzen. Andererseits: Wenn Trumps Anwälte argumentieren, dass es zu „Chaos und Wahnsinn“ führen könnte, würde das Gericht Trump von den Präsidentschaftswahlen ausschließen, so haben sie durchaus recht.

Trump und seine Befürworter:innen leben nämlich von der Ausschaltung der Vernunft und der gezielt geschürten Erregung. In einer solchermaßen aufgeheizten Stimmung kann niemand absehen, wie fanatisierte Anhänger:innen Trumps reagieren, sollte ihr Idol durch die von ihnen ohnedies misstrauisch beäugte Justiz von der Wahl ausgeschlossen werden. Dass es, wie man früher zweifellos beschwichtigt hätte, schon nicht zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen wird, scheint seit dem 6. Jänner 2021 obsolet.

Tatsächlich kann nur dieses eine Verfahren Trump auf juristischem Weg verhindern. Die anderen Verfahren, die gegen ihn laufen, könnten wohl dazu führen, dass er – selbst als gewählter Präsident – ins Gefängnis muss. Doch er könnte von dort weiter regieren, denn die Verfassung der Vereinigten Staaten verbietet Straftäter:innen zwar zu wählen, nicht jedoch, gewählt zu werden oder im Amt zu bleiben.

So sagt Sarah Wagner, Politologin an der Atlantischen Akademie in Kaiserslautern, im WZ-Podcast „Was passiert, wenn Trump gewinnt?”: „Es gibt in der US-Verfassung keine Stelle, die es einem rechtlich verurteilten Kandidaten verbietet, an der Präsidentschaftswahl teilzunehmen."

Sollte Trump während seiner Amtszeit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden, wäre die Vorgehensweise dann wohl, dass Trump ins Gefängnis geht, seinem Vizepräsidenten die Amtsgeschäfte übergibt und dieser umgehend eine Begnadigung ausspricht. Das wäre zwar verfassungskonform, würde aber die Verfassung in einem Ausmaß pervertieren, dass die USA wahrscheinlich in die größte Verfassungskrise ihrer Geschichte taumeln würden. Gerade Trump ist zuzutrauen, dass er es im Ernstfall darauf ankommen lässt.

Wie man es auch dreht und wendet: Trump ist und bleibt ein Risiko – national für die Vereinigten Staaten ebenso wie international für die Welt. Wirklich stoppen kann ihn kein Gerichtsverfahren, sondern ausschließlich der Wille der Wähler:innen. Denn mag er auch die Demokratie bis zum Zerreißen dehnen wollen: Letzten Endes muss sich ihren Regeln sogar ein Donald Trump beugen.

QOSHE - Donald Trump, der Unaufhaltbare - Edwin Baumgartner
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Donald Trump, der Unaufhaltbare

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26.02.2024

Geht es nach den Leser:innen von Focus online, ist das Ergebnis eindeutig: 71 Prozent derer, die (bis 13. Februar) live abgestimmt haben, sind überzeugt, dass Donald Trump Präsident der USA wird. In den USA ist es laut Economist ebenso eindeutig, wenngleich Trumps Vorsprung dort mit etwa 45 Prozent vor dem amtierenden Präsidenten Joe Biden mit etwa 42 Prozent geringer ausfällt. Als sicher gilt, dass Trumps innerparteiliche Gegenspielerin Nikki Haley demnächst aufgeben, Trump damit die Vorwahlen für sich entscheiden und als Kandidat der Republikaner das Präsidentenamt für sich beanspruchen wird.

Es scheint, dass kein Weg an dem 77-jährigen Selbstdarsteller mit Großmachtgelüsten vorbeiführt.

Seine Gegner:innen greifen nach Strohhalmen. Einer davon ist der 14. Verfassungszusatz, dritter Absatz. Er stammt aus der Zeit nach dem Sezessionskrieg (1861 bis 1865) und sollte ursprünglich verhindern, dass Konföderierte an die Macht gelangen. Der Passus besagt, dass niemand, der einen Eid auf die Verfassung geleistet hat, und sich danach an einem Aufstand beteiligt, ein politisches Amt bekleiden darf.

Geht es nach Norma Anderson, hat Trump genau das getan: Am 6. Jänner 2021 stürmten Anhänger des abgewählten Präsidenten Donald Trump das Kapitol in Washington, nachdem Trump in einer Rede wahrheitswidrig gesagt hatte, dass ein groß angelegter Wahlbetrug der Demokratischen Partei seine zweite Amtszeit verhindert habe.

Die 92-jährige Norma Anderson gilt als republikanisches Urgestein, unbedingt konservativ, aber auch unbedingt mit Gewissen. Immerhin ist sie........

© Wiener Zeitung


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