Wer täglich durch Social Media scrollt, spürt es vielleicht: Wir werden zum Konsum verführt, denn wir sehen nicht nur schön kuratierte Inhalte, sondern vor allem auch Werbung – von den Influencer:innen und den Plattformen, auf denen sie aktiv sind. Zwei österreichische Influencerinnen haben ihre Reichweite genutzt, um nachhaltige Modemarken zu verkaufen: Madeleine Darya Alizadeh betreibt Dariadeh, Anna-Laura Amenta das Slow Label. Doch solche Unternehmen dürften die Ausnahme sein, wenn man sich die Umsätze im Fast-Fashion-Bereich ansieht. Sind wir noch immer nicht bereit für ein Umdenken?

Der Trend zu Slow Fashion – also minimalistische, zeitlose Designs und längere Haltbarkeit – scheint bisher nur ein Nischenphänomen zu sein, wenn man die Wachstumsraten von Fast Fashion betrachtet. Der in China gegründete Online-Shop Shein machte 2022 Berichten zufolge 23 Milliarden US-Dollar Umsatz weltweit, 2023 wurde ein Wachstum von 30 Prozent angestrebt. Das in Singapur ansässige Unternehmen veröffentlicht noch keine Zahlen, will aber demnächst an die Börse gehen.

Bei Shein sind Tops bereits ab fünf Euro, Jeans ab zehn Euro zu finden. Bei diesen Preisen kann selbst der spanische Modekonzern Inditex, der hinter der Marke Zara steht, nicht mehr mithalten. Shein hat Branchenanalysen zufolge bereits mehr Marktanteile als Inditex und H&M. Die Fast-Fashion-Marke konkurriert eher mit anderen Diskontern als mit den europäischen Modemarken, etwa dem chinesischen Marktplatz Temu. Der dahinterstehende Konzern PDD machte im dritten Quartal des vergangenen Geschäftsjahres 9,6 Milliarden US-Dollar Umsatz. Shein verschickt Schätzungen zufolge 5.000 Tonnen Waren pro Tag per Luftfracht, Temu 4.000 Tonnen.

Dabei wären junge Menschen eigentlich der Schlüssel zu einem nachhaltigeren Konsum. Die Gen Z – also jene, die zwischen den späten 1990ern und frühen 2000er-Jahren geboren sind – ist laut einer Credit-Suisse-Umfrage besonders offen für Nachhaltigkeit. Mehr als 40 Prozent der Befragten halten die Modeindustrie für nicht nachhaltig, das Umweltbewusstsein ist in Industrieländern wie Deutschland, Frankreich und den USA allerdings geringer als in Entwicklungsländern.

Warum zieht es uns zu Billig-Shops, wenn wir wissen, dass diese schädlich für das Klima sind und faire Arbeitsbedingungen missachten? Der Preis ist uns wichtiger als andere Kriterien, geht aus dem Sustainable Commerce Report 2023 des österreichischen Handelsverbandes hervor. Bei Kleidung achten 30 Prozent der Befragten sehr stark auf einen niedrigen Preis, 49 Prozent sehr stark auf ein gutes Preis-Leistungsverhältnis, aber nur 18 Prozent auf faire Arbeits- und Produktionsbedingungen. Bei den 18- bis 29-Jährigen achten 45 Prozent sehr stark auf ein Produktsiegel wie „BioCotton“, bei den 40- bis 49-Jährigen tun das nur 26 Prozent. Etwa die Hälfte der Befragten sagt, nicht immer nachhaltige Produkte zu kaufen, weil diese meist teurer sind.

Wenn das Konsument:innenbewusstsein nicht ausreicht, können die Unternehmen selbst in die Verantwortung genommen werden. In Frankreich etwa wird derzeit über eine Strafgebühr für Wegwerfmode diskutiert. Der Gesetzesentwurf sieht pro Fast-Fashion-Kleidungsstück fünf Euro vor, die der Hersteller zahlen muss, 2030 soll der Betrag auf zehn Euro erhöht werden. Auf EU-Ebene wurde zumindest die Vernichtung von ungetragener Kleidung verboten, auch das kürzlich beschlossene Lieferkettengesetz könnte den Modekonzernen das Geschäft erschweren. Fast Fashion könnte in Zukunft also teurer werden, und vielleicht greifen wir dann doch lieber zu teureren, aber fair produzierten Waren.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.

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Shein statt Slow Fashion: Warum wir lieber ein Shirt für fünf Euro kaufen

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03.04.2024

Wer täglich durch Social Media scrollt, spürt es vielleicht: Wir werden zum Konsum verführt, denn wir sehen nicht nur schön kuratierte Inhalte, sondern vor allem auch Werbung – von den Influencer:innen und den Plattformen, auf denen sie aktiv sind. Zwei österreichische Influencerinnen haben ihre Reichweite genutzt, um nachhaltige Modemarken zu verkaufen: Madeleine Darya Alizadeh betreibt Dariadeh, Anna-Laura Amenta das Slow Label. Doch solche Unternehmen dürften die Ausnahme sein, wenn man sich die Umsätze im Fast-Fashion-Bereich ansieht. Sind wir noch immer nicht bereit für ein Umdenken?

Der Trend zu Slow Fashion – also minimalistische, zeitlose Designs und längere Haltbarkeit – scheint bisher nur ein Nischenphänomen zu sein, wenn man die Wachstumsraten von Fast Fashion betrachtet. Der in China gegründete Online-Shop Shein machte 2022 Berichten zufolge 23 Milliarden US-Dollar Umsatz weltweit, 2023 wurde ein Wachstum von 30........

© Wiener Zeitung


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