Mehr Schutz für Menschenrechte und Umwelt: Der Entwurf für das Lieferkettengesetz hat auf dem Papier ein klares Ziel. Doch der Weg zum Ziel ist weit – und sorgt für Widerstand. Seit 2022 wird über die Richtlinie und ihre Details diskutiert, Anfang Februar sollten die EU-Mitgliedsstaaten darüber abstimmen. Doch soweit kam es nicht: Deutschland kündigte vorab an, sich der Stimme zu enthalten. Das hätte das Erreichen der notwendigen Mehrheit von 65 Prozent schwierig gemacht, auch Österreich und Italien wollten blockieren. Der EU-Rat entschied sich deshalb, die Abstimmung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Warum sorgt die Richtlinie trotz ihrer guten Absichten für so viel Widerstand?

Die „Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit“, kurz als Lieferkettengesetz bezeichnet, verlangt mehr Verantwortung von großen Unternehmen bei der Beschaffung von Materialen und der Produktion von Waren. Konkret soll die Richtline für Unternehmen innerhalb der EU mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als 150 Millionen Euro gelten, bei Unternehmen mit hohem Schadenspotenzial wie Textil- oder Landwirtschaft liegt die Grenze bei mindestens 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Nettoumsatz. Auch Konzerne aus Drittländern, die in der EU Umsätze in dieser Höhe erwirtschaften, fallen in diese Richtlinie. Sie sollen künftig prüfen, wo in ihren Lieferketten Menschenrechte verletzt werden könnten, etwa durch Zwangsarbeit, wo Umweltschaden angerichtet oder biologische Vielfalt gestört wird – und dann auch entsprechende Maßnahmen treffen, um diese zu minimieren oder zu verhindern.

In der Praxis heißt das, Unternehmen müssten ihre Zulieferer strenger kontrollieren und Verstoße gegen die Standards melden. Ein Beispiel: Der österreichische Faserhersteller Lenzing AG hat Zulieferer aus der ganzen Welt. Laut dem Lieferkettengesetz müsste der Konzern in allen Bereichen der Wertschöpfungskette nachforschen, ob die Arbeitsrechte und Umweltschutzmaßnahmen eingehalten werden. Kommen Betriebe dieser Sorgfaltspflicht nicht nach, drohen Sanktionen. Die Geldstrafen sollen fünf Prozent des Umsatzes betragen.

Ein Konzern wie Lenzing verfügt bereits über Corporate-Social-Responsibilty-Abteilungen, die sich genau um solche Maßnahmen kümmern. Kritiker:innen des Lieferkettengesetzes sagen, dass es in der jetzigen Form nicht umsetzbar sei. In Deutschland argumentiert die FDP, dass der Mittelstand mit zu viel Bürokratie belastet werden würde. In Österreich spricht sich neben ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher auch die Wirtschaftskammer dagegen aus, die Richtlinie würde die heimische Wirtschaft schwächen: „Bei europaweit 900 Millionen Lieferbeziehungen wäre durch die angedachte Einbeziehung auch indirekter Beziehungen praktisch jedes Unternehmen in der Verantwortung. Eine solche Tragweite ist nicht überblickbar, geschweige denn administrierbar und schadet der Wirtschaft“, sagt Generalsekretär Karlheinz Kopf.

Sowohl in Deutschland als auch in Österreich machen Befürworter:innen der Lieferkettenrichtline den Regierungsvertretern in der EU jetzt Druck, zuzustimmen. Doch tatsächlich hängt die Zukunft der Sorgfaltspflicht in der Luft, und die Zeit läuft. Einen neuen Abstimmungstermin gibt es noch nicht. Sollte der Entwurf auf Basis der Kritikpunkte noch einmal geändert werden, muss dieser noch einmal durch das EU-Parlament, bevor die Mitgliedsstaaten darüber abstimmen. Von 6. bis 9. Juni findet die Europawahl statt. Wird das Gesetz bis dahin nicht verabschiedet, dürfte das Projekt wohl gescheitert sein.

Elisabeth Oberndorfer schreibt jede Woche eine Kolumne zum Thema Ökonomie. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.

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Werden wir jemals erfahren, ob unsere Schokolade sauber ist?

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26.02.2024

Mehr Schutz für Menschenrechte und Umwelt: Der Entwurf für das Lieferkettengesetz hat auf dem Papier ein klares Ziel. Doch der Weg zum Ziel ist weit – und sorgt für Widerstand. Seit 2022 wird über die Richtlinie und ihre Details diskutiert, Anfang Februar sollten die EU-Mitgliedsstaaten darüber abstimmen. Doch soweit kam es nicht: Deutschland kündigte vorab an, sich der Stimme zu enthalten. Das hätte das Erreichen der notwendigen Mehrheit von 65 Prozent schwierig gemacht, auch Österreich und Italien wollten blockieren. Der EU-Rat entschied sich deshalb, die Abstimmung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Warum sorgt die Richtlinie trotz ihrer guten Absichten für so viel Widerstand?

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