Die UNO-Klimakonferenz in Dubai hat mit einem Kompromiss auf ein Schlussdokument ein Ende gefunden, in dem erstmals die Abkehr von den fossilen Energiequellen Kohle, Öl und Gas erwähnt wird. Der zuvor von mehr als 100 Staaten geforderte klare Ausstieg („Phase-out“) ist vom Tisch.

In dem Abschlusspapier ist wörtlich von einem „gerechten, geordneten und ausgewogenen Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen“ die Rede, um bis 2050 einen Netto-Null-Verbrauch im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und eine globale Reduzierung der Methan-Emissionen bis 2030 zu erreichen. Es ist der erste Beschluss einer UNO-Klimakonferenz, der – wenn auch recht allgemein formuliert – auf das Ende von fossilen Energieträgern abzielt und damit ein Ende des Ölzeitalters signalisiert.

Der 21-seitige Text ruft zu einer Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2030 und zu einer Verdoppelung der Energieeffizienz im gleichen Zeitraum auf. (Energieeffizienz beschreibt das Verhältnis des Nutzens zum Energieeinsatz. Je weniger Energie eingesetzt werden muss, um es zu erzeugen, umso energieeffizienter ist etwa ein Produkt.) Auch das Bekenntnis des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, wird wiederholt. Der Text enthält aber auch Verweise auf „Übergangsenergien“. Diese können auch fossiler Art sein, bei gleichzeitiger Anwendung der umstrittenen Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2. Im Laufe der Konferenz wurde außerdem eine Verdreifachung der Atomenergie ins Auge gefasst. Die Art der Durchführung obliegt den Ländern. Das heißt: „All diese Punkte müssen in nationale Politik umgesetzt werden, die noch vor 2030 wirkt. Sonst ist die 1,5-Grad-Grenze nicht einzuhalten, mindestens nicht ohne längere Überschreitung“, sagt Niklas Höhne, Leiter des New Climate Institute in Köln.

Während die EU, die USA und China die Dringlichkeit des Klimaschutzes verstanden haben und diesen langsam, aber doch umsetzen, wollen sich die Erdöl- und Erdgas-exportierenden Länder ihre Einnahmequellen möglichst lang erhalten. Dazwischen stehen die Entwicklungsländer, die auf der einen Seite die Auswirkungen der Erderwärmung bereits deutlich spüren und auf der anderen Seite nicht die Mittel haben, um sich an die Auswirkungen anzupassen und den Ausstieg aus Fossilen rasch umzusetzen. Da alle dem Abschlusspapier zustimmen mussten, musste eine Formulierung gefunden werden, die alle drei Gruppen zufriedenstellt. „Das Papier ist ein guter politscher Kompromiss, den jedes Land auslegen darf, wie es kann und will, und das individuelle Umsetzungsschritte möglich macht. In Zeiten multipler Krisen, in denen verschiedene Regionen mit unterschiedlichen Problemen kämpfen, ist das ein wichtiges geopolitisches Signal“, sagt der Klimaforscher Daniel Huppmann vom Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg bei Wien.

China zeigte, dass es durchaus möglich ist, binnen sechs Jahren die Kapazitäten für erneuerbare Energien zu verdreifachen: Dort hat noch vor drei Jahren Kohlestrom rund die Hälfte des Bedarfs gedeckt, inzwischen gibt es laut chinesischen Zahlen doppelt so viel Solar- wie Kohlestrom. Allerdings werden in China auch noch neue Kohlekraftwerke genehmigt, vor allem in Provinzen, in denen der Umstieg auf Erneuerbare schwierig ist. Die explizierten Zielvorgaben des COP28-Beschlusses gibt der EU, den USA und China jedenfalls die Rückendeckung, weiterhin nationale Klimaschutz-Maßnahmen zu setzen, und damit nicht allein dazustehen.

Da in dem Dokument nicht festgehalten ist, wie genau der „gerechte, geordnete und ausgewogene Übergang“ von fossilen zu erneuerbaren Energien aussehen soll, öffnet es „Scheinlösungen wie der Kohlenstoffspeicherung oder der Atomkraft Tür und Tor“, sagt etwa Greenpeace-Expertin Jasmin Duregger. Industriezweige, die sich beim Verzicht auf fossile Brennstoffe, die immer noch rund 80 Prozent der weltweiten Energieversorgung ausmachen, schwertun, könnten sich für die wenig erprobte, umstrittene Kohlenstoffabscheidung und -speicherung entscheiden.

„Die COP28-Klimakonferenz war reines Greenwashing“, sagt die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Nur eine Verpflichtung zum sofortigen Ausstieg aus fossilen Energien hätte dazu führen können, dass die Klimaziele erreicht werden. Positiver äußert sich der World Wildlife Fund (WWF). Auf der Klimakonferenz sei es gelungen, auch die Öl- und Gasstaaten zu einer Zusage zur Abkehr von den fossilen Energien zu bewegen. „Damit wurde erstmals das Kernproblem der Klimakrise benannt, nachdem jahrzehntelang auf dem internationalen Parkett darum herumgetänzelt wurde. Das ist ein immens wichtiges Signal auch gegen die Erschließung neuer Öl- und Gasquellen“, sagt etwa Viviane Raddatz, Klimachefin des WWF Deutschland.

Bereits zu Beginn der Konferenz wurde der neue Fonds für Verluste und Schäden eingerichtet und erste Einzahlungen angekündigt, die sich auf 792 Millionen US-Dollar belaufen. „Diese frühe Entscheidung hat für einen gelungenen Auftakt gesorgt. Angesichts der enormen Schäden durch die Klimakrise in Form von Stürmen, Überschwemmungen oder Trockenheit in vielen Entwicklungsländern in diesem Jahr ist die Einrichtung dieses Fonds ebenfalls ein wichtiger Schritt“, sagt Anke Herold, Geschäftsführerin des Öko-Instituts in Berlin. Allerdings ist der Fonds unterdotiert. Expert:innen gehen davon aus, dass mehrere Milliarden benötigt werden, um die Schäden abzufedern.

Die besonders vom steigenden Meeresspiegel bedrohten Inselstaaten fühlen sich übergangen. Eine Vertreterin von Samoa, einem Staat im Pazifik, sagte vor dem Plenum in Dubai, die Gruppe der Inselstaaten habe sich noch koordinieren müssen und sei gar nicht rechtzeitig im Raum gewesen, um Stellung zu beziehen. „Wir können nicht auf unsere Inseln zurückkehren mit der Botschaft, dass dieser Prozess uns betrogen hat", sagte die Vertreterin Samoas. „Die Kurskorrektur, die wir brauchen, ist nicht erreicht worden.“

Als EU-Staat ist Österreich in die Verhandlungen involviert. So befinden sich einige österreichische Vertreter:innen in wichtigen Positionen im Rahmen der EU, wenn es um die Vermittlung zwischen verschiedenen Interessen geht. Die Linie der Bundesregierung dabei ist bekannt: Klimaschutzministerin Leonore Gewessler von den Grünen hat sich den Ausbau der Erneuerbaren auf ihre Fahnen geheftet. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der ebenfalls in Dubai vor Ort war, hat eine nationale „Carbon Management Strategie" initiiert. Im Fokus der Teilnahme an der COP28 stand das Ministertreffen der „Coalition of Finance Ministers for Climate Action“, wo Brunner für das „Green Budgeting" Österreichs warb. Parallel dazu war die heimische Delegation Teil des EU-Verhandlungsteams zu einem neuen globalen Klimafinanzierungsziel ab 2025. „Die Welt verabschiedet sich von den fossilen Energien. Das ist ein riesiger Schritt nach vorne“, sagte Klimaschutzministerin Gewessler nach dem Beschluss.

Im Jahr 2024 wird die UN-Klimakonferenz COP29 in Aserbaidschan stattfinden. Ähnlich wie der diesjährige Gastgeber Dubai finanziert auch dieser Austragungsort seine Wirtschaft zu einem großen Teil aus Öl- und Gaseinahmen. Laut Daten der International Trade Administration (USA) machen die Einnahmen aus der Öl- und Gasproduktion knapp die Hälfte des aserbaidschanischen BIP und knapp 92 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus. Der Austragungsort wurde einstimmig beschlossen.

QOSHE - Klimakonferenz in Dubai: Nur langsam raus aus Öl und Gas - Eva Stanzl
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Klimakonferenz in Dubai: Nur langsam raus aus Öl und Gas

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20.12.2023

Die UNO-Klimakonferenz in Dubai hat mit einem Kompromiss auf ein Schlussdokument ein Ende gefunden, in dem erstmals die Abkehr von den fossilen Energiequellen Kohle, Öl und Gas erwähnt wird. Der zuvor von mehr als 100 Staaten geforderte klare Ausstieg („Phase-out“) ist vom Tisch.

In dem Abschlusspapier ist wörtlich von einem „gerechten, geordneten und ausgewogenen Übergang weg von fossilen Brennstoffen in den Energiesystemen“ die Rede, um bis 2050 einen Netto-Null-Verbrauch im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und eine globale Reduzierung der Methan-Emissionen bis 2030 zu erreichen. Es ist der erste Beschluss einer UNO-Klimakonferenz, der – wenn auch recht allgemein formuliert – auf das Ende von fossilen Energieträgern abzielt und damit ein Ende des Ölzeitalters signalisiert.

Der 21-seitige Text ruft zu einer Verdreifachung der weltweiten Kapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2030 und zu einer Verdoppelung der Energieeffizienz im gleichen Zeitraum auf. (Energieeffizienz beschreibt das Verhältnis des Nutzens zum Energieeinsatz. Je weniger Energie eingesetzt werden muss, um es zu erzeugen, umso energieeffizienter ist etwa ein Produkt.) Auch das Bekenntnis des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen, wird wiederholt. Der Text enthält aber auch Verweise auf „Übergangsenergien“. Diese können auch fossiler Art sein, bei gleichzeitiger Anwendung der umstrittenen Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2. Im Laufe der Konferenz wurde außerdem eine Verdreifachung der Atomenergie ins Auge gefasst. Die Art der Durchführung obliegt den Ländern. Das heißt: „All diese Punkte müssen in nationale Politik umgesetzt werden, die noch vor 2030 wirkt. Sonst ist die 1,5-Grad-Grenze nicht einzuhalten, mindestens nicht ohne längere Überschreitung“, sagt Niklas Höhne, Leiter des New........

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