Waldbrände in Griechenland, Spanien, Kanada. Sintflutartige Regenfälle, die ganze Städte davontragen, in Libyen. Schrumpfende Eisberge, schmelzende Gletscher, ein staubtrockener Sommer, zu warme Meere: Das war die Welt im Jahr 2023. Es wird als das wärmste jemals gemessene in die Geschichte eingehen – vorläufig. Vor diesem traurigen Hintergrund bereitet sich die Weltgemeinschaft auf eine neue Runde der UNO-Klimagespräche vor. Rund 80.000 Politiker:innen, Forscher:innen, Diplomat:innen, Wirtschaftstreibende, Journalist:innen, Wirtschaftsvertreter:innen, Prominente, Umweltorganisationen werden sich von 30. November bis 12. Dezember beim 28. Weltklimagipfel – genannt COP28 - in der Ölmetropole Dubai einfinden. Schon der Austragungsort in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sorgt für Kritik. Nicht nur Umweltorganisationen gehen davon aus, dass das Abschlusspapier zugunsten der Ölindustrie ausfallen wird. Immerhin ist der Tagungspräsident Sultan Al Jaber, der Geschäftsführer der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc).

Der Klimawandel werde in weiten Teilen der Erde ungebremst weitergehen, hieß es schon im Vorfeld beim 13. Extremwetterkongress Ende September in Hamburg. Die Chance, das Klimasystem mit wenig Aufwand zu stabilisieren, sei längst vorbei. Auch UNO-Klima-Chef Simon Stiell rechnet mit keinem großen Wurf. Die Klimaschutzpläne der 198 teilnehmenden Staaten seien „Babyschritte“ und die Welt sei weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen.

Im Jahr 2015 hatten die Staaten beim Klimagipfel in Paris (COP21) verbindlich beschlossen, den globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die Zusagen wurden nicht eingehalten. Laut dem Emissions-Gap-Bericht der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (Unep) muss die Menschheit mit einer Erwärmung von 2,9 Grad rechnen, wenn sie so weitermacht wie bisher.

Die Konsequenzen sind schwerwiegend: Wenn sich die Erde um 1,5 Grad erwärmt, sterben sechs Prozent aller Insekten, verschwinden 70 Prozent aller Korallenriffe, ist das Hochwasserrisiko doppelt so hoch, schmilzt die Hälfte der Gletscher und haben 50 Millionen Menschen in Städten zu wenig Wasser. Wenn sie um zwei Grad wärmer wird, sind die genannten Zahlen um zwei Drittel höher. Diese Szenarien hat der World Wildlife Fund Österreich berechnet.

„An 2,9 Grad hingegen kann sich die Menschheit nicht anpassen“, sagte Niklas Höhne, einer der Autoren des Unep-Emissions-Gap-Berichts, bei einem Webinar des Science Media Center Deutschland: „Eine der wichtigsten Funktionen der COP28 ist, dass das Klima für zwei Wochen Thema Nummer Eins ist. Aber die Welt müsste umschalten in den Notfallmodus und sich nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedengeben, sondern das Unmögliche möglich machen. Es herrscht Druck in der Leitung.“

Das Herzstück der COP28-Verhandlungen ist die Frage, wo wir stehen. Eine Bestandsaufnahme, in der die Länder in den vergangenen zwei Jahren ihre eigenen Fortschritte bewerten mussten, soll in Beschlüssen gipfeln, was als nächstes zu tun ist. Beim Klimagipfel soll ein „Entscheidungstext“ formuliert werden, der bisherige Bemühungen reflektiert und festlegt, wie eine Erderwärmung von 1,5 oder maximal zwei Grad noch zu erreichen ist.

Dazu müssen sich die Verhandlungspartner vor allem in drei Punkten einig werden: zum Umgang mit fossilen Energieträgern, zur Besteuerung des Klimagases Methan und zur Finanzierung des Fonds, der ärmere Länder für Klimaschäden kompensieren soll.

Starten wir mit der härtesten Schlacht, die die Länder beim 28. Klimagipfel ausfechten müssen – dem Umgang mit fossilen Energieträgern. Die Weltgemeinschaft muss entscheiden, ob sie für ein konsequentes und schnelles Ende, einen stufenweisen Rückzug oder die Fortsetzung des Einsatzes von fossilen Energieträgern mit anderen Vorzeichen optiert.

Diese Frage steht nicht zum ersten Mal auf der Tagesordnung. Der erste COP-Beschluss, der auf fossile Brennstoffe abzielt, wurde 2021 bei der COP26 in Glasgow gefasst. Bei der Lösungsfindung steht die normative Kraft des Faktischen gegen die Dringlichkeit. Derzeit gehen 80 Prozent des Energieverbrauchs der Menschen auf Öl und Gas zurück. Nach einer Prognose der Internationalen Energieagentur werden Fossile viele Prozesse wohl auch noch 2050 am Laufen halten, wenn auch zu einem geringeren Anteil. Bei einem Schnellausstieg sind daher schmerzhafte Lieferengpässe für Verbraucher:innen zu befürchten, die durch Erneuerbare derzeit noch nicht wettgemacht werden können.

Aus diesem Grund ist eine Variante im Gespräch, die das Leben der fossilen Energieträger sogar noch verlängern könnte. Wenn es gelingt, Kohlendioxid-Emissionen einzufangen und unter der Erde zu lagern, könnte man neue Öl- und Gas-Kraftwerke bauen und diese - rein rechnerisch - als CO2-neutral deklarieren.

Der Fachbegriff für das Einfangen von Kohlendioxid und dessen Lagerung unter der Erde ist Carbon Capture and Sequestration (CCS). Der Haken daran: „Die Methode ist laut Weltklimarat IPCC eine funktionierende Annahme. Aber sie ist noch keine erprobte Praxis. Auch stellt sich die Frage, ob genug Speicherplatz unter der Erde vorhanden ist. Allein Österreich könnte unterirdisch nur so viel CO2 speichern, wie es derzeit, beim aktuellen Emissionsstand, in zwei Jahren verbraucht“, sagt der Klimaforscher Daniel Huppman vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg (IIASA), und: ,,Sollten sich unüberbrückbare Hindernisse auftun, hätten wir nichts, was die Emissionen dieser Kraftwerke senkt – wir würden also einfach weitermachen wie bisher.“

Die dritte Alternative wäre mehr Nachdruck im Ausbau von erneuerbaren bei gleichzeitigem, schrittweisem Ausstieg aus fossilen Energien. „CO2 in den Boden zu pressen ist stets teuer, als es zu sparen“, sagt Niklas Höhne, Professor für die Senkung der Treibhausgas-Emissionen der Wageningen Universität in den Niederlanden: „Insbesondere Photovoltaik wird schnell genug ausgebaut, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Auch Elektroautos werden schneller zahlreicher verkauft als gedacht. Das zeigt, dass wir es können, wenn wir es wollen.“ Wenn sich die Positionen nicht für viele weitere Jahre spießen. So sprechen sich die USA, Russland, die arabischen Länder und China für die Lagerung der CO2-Emissionen, die die Kraftwerke für fossile Energien ausstoßen, tief im Boden aus, während Australien, Kanada, die EU und wieder China für den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren sind.

Die Besteuerung von Methan steht heuer zum ersten Mal auf der Tagesordnung. Das Klimagas Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas. Wie viele Maßnahmen, die leicht umzusetzen sind, könnte dessen Besteuerung einen spürbaren Unterschied machen. Außerdem würde sie Löcher in Klimabudgets stopfen.

,,Während CO2 für immer in der Atmosphäre verbleibt, ist Methan kurzfristig ein sehr starkes Treibhausgas, aber es baut sich wieder ab. Kurzfristig schadet es der Atmosphäre also intensiv, aber nach etwa zwei Jahrzehnten ist es wieder verschwunden“, erläutert Huppmann. Die USA hätten eine Strafsteuer auf Methan eingeführt, die Emissionen des Klimagases empfindlich verteuert. „Diese Maßnahme ist rasch spürbar im Klima. Mit der Reduktion der Emissionen von Methan wäre schnell viel für den Klimaschutz zu holen“, sagt der Klimaforscher. Die Vorzeichen für die Maßnahme sind nicht schlecht: Im Vorfeld hat China als weltgrößter Methan-Emittent angekündigt, dass Gas ab sofort Teil seines nationalen Klimaplans sein werde.

Weniger klar sind die finanziellen Maßnahmen. Die Industriestaaten hatten sich bereits bis zum Jahr 2020 verpflichtet, jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Quellen für den internationalen Einsatz gegen den Klimawandel bereitzustellen. Im Vorjahr wurde beim Klimagipfel im ägyptischen Sharm-el-Sheikh ein eigener Fonds für Klimaschäden befürwortet. Damit dieser nicht nur auf dem Papier existiert, sind dieses Mal hohe, verbindliche Finanzzusagen notwendig. Erst im Oktober wurde nach monatelangen Verhandlungen beschlossen, dass die Weltbank darin eine Rolle spielen soll, die aber noch nicht finanziell unterlegt ist. Ausschlaggebend ist nun das Wording im Abschluss-Kommuniqué.

Und wie hoch sind die Chancen, dass der 28. UNO-Klimagipfel tatsächlich die Richtung in eine klimaneutrale Zukunft weist? Werden bei dem wichtigsten Treffen zum Klima abgesprochene, im Vorfeld bereits beschlossene Standpunkte dargelegt, oder wird tatsächlich hart verhandelt? Geht es den Teilnehmenden tatsächlich um den Klimaschutz, oder ist die Weltklimakonferenz eher nur ein Almauftrieb mit Prominenten? Was genau wird in den zwölf Tagen in Dubai tatsächlich verändert?

Eines vorweg: An der Konferenz nehmen alle Seiten teil und diskutieren mit, sowohl im Plenum als auch in bilateralen Treffen. „Doch die eigentlichen Verhandlungen finden zwischen Staaten statt und die meisten Staaten haben bereits ihre Positionen festgelegt“, erklärt Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik des Öko-Instituts in Berlin. „Die EU etwa hat durch einen Ratsbeschluss und Hintergrund-Positionspapiere ihre Position schon im Vorfeld beschlossen.“ Und da spielen auch Lobby-Interessen eine Rolle.

Die Befürchtung, dass der Klimagipfel etwas von einer PR-Veranstaltung hat, sei gerechtfertigt, bestätigt Reimund Schwarze, Leiter der AG Klimawandel und Extremereignisse am Department für Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig. „Schauen wir zum Beispiel darauf, was im Kern passieren müsste in Dubai, um die Umsetzung des Pariser Abkommens in Fahrt zu bringen: In den Vorverhandlungen fokussierten die Länder in ihrer kollektiven Bestandsaufnahme erst einmal darauf, das bereits Erreichte unter dem Pariser Abkommen recht positiv darstellen.“

Klimaverhandlungen sind ein vielfältiger, vielschichtiger Prozess. Doch beim COP28-Gipfel kann keinem Land verordnet werden, was es zu tun hat. Wie viel Nationen tatsächlich für den Klimaschutz leisten, bleibt ihnen überlassen. „Das heißt, dass man nicht vorankommen kann, gerade da, wo die Defizite am größten sind“, sagt Schwarze auf Anfrage der WZ. „Es sind keine neuen Instrumente und Ansätze jenseits der national bestimmten Beiträge in irgendeiner Form vorgesehen. Daher sehe ich die Gefahr, dass es eine Veranstaltung wird, die uns nicht sehr viel weiterbringen wird.“

Also weiterhin heiße Luft und eine Welt, in der insbesondere große Industrienationen machen, was sie wollen, zu Lasten der anderen? Indes arbeiten die riesigen Photovoltaik-Farmen in Masdar City in der arabischen Wüste vor sich hin. Die grüne Musterstadt in der arabischen Wüste stellt diese billigste Form der erneuerbaren Energien mitten im Öl-Imperium her. Investiert ist der Energiekonzern Adnoc – und damit Sultan Al Jaber.

QOSHE - UNO-Klimakonferenz: 28-mal heiße Luft? - Eva Stanzl
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UNO-Klimakonferenz: 28-mal heiße Luft?

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28.11.2023

Waldbrände in Griechenland, Spanien, Kanada. Sintflutartige Regenfälle, die ganze Städte davontragen, in Libyen. Schrumpfende Eisberge, schmelzende Gletscher, ein staubtrockener Sommer, zu warme Meere: Das war die Welt im Jahr 2023. Es wird als das wärmste jemals gemessene in die Geschichte eingehen – vorläufig. Vor diesem traurigen Hintergrund bereitet sich die Weltgemeinschaft auf eine neue Runde der UNO-Klimagespräche vor. Rund 80.000 Politiker:innen, Forscher:innen, Diplomat:innen, Wirtschaftstreibende, Journalist:innen, Wirtschaftsvertreter:innen, Prominente, Umweltorganisationen werden sich von 30. November bis 12. Dezember beim 28. Weltklimagipfel – genannt COP28 - in der Ölmetropole Dubai einfinden. Schon der Austragungsort in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) sorgt für Kritik. Nicht nur Umweltorganisationen gehen davon aus, dass das Abschlusspapier zugunsten der Ölindustrie ausfallen wird. Immerhin ist der Tagungspräsident Sultan Al Jaber, der Geschäftsführer der Abu Dhabi National Oil Company (Adnoc).

Der Klimawandel werde in weiten Teilen der Erde ungebremst weitergehen, hieß es schon im Vorfeld beim 13. Extremwetterkongress Ende September in Hamburg. Die Chance, das Klimasystem mit wenig Aufwand zu stabilisieren, sei längst vorbei. Auch UNO-Klima-Chef Simon Stiell rechnet mit keinem großen Wurf. Die Klimaschutzpläne der 198 teilnehmenden Staaten seien „Babyschritte“ und die Welt sei weit davon entfernt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu begrenzen.

Im Jahr 2015 hatten die Staaten beim Klimagipfel in Paris (COP21) verbindlich beschlossen, den globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt bis zum Jahr 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die Zusagen wurden nicht eingehalten. Laut dem Emissions-Gap-Bericht der Umweltorganisation der Vereinten Nationen (Unep) muss die Menschheit mit einer Erwärmung von 2,9 Grad rechnen, wenn sie so weitermacht wie bisher.

Die Konsequenzen sind schwerwiegend: Wenn sich die Erde um 1,5 Grad erwärmt, sterben sechs Prozent aller Insekten, verschwinden 70 Prozent aller Korallenriffe, ist das Hochwasserrisiko doppelt so hoch, schmilzt die Hälfte der Gletscher und haben 50 Millionen Menschen in Städten zu wenig Wasser. Wenn sie um zwei Grad wärmer wird, sind die genannten Zahlen um zwei Drittel höher. Diese Szenarien hat der World Wildlife Fund Österreich berechnet.

„An 2,9 Grad hingegen kann sich die Menschheit nicht anpassen“, sagte Niklas Höhne, einer der Autoren des Unep-Emissions-Gap-Berichts, bei einem Webinar des Science Media Center Deutschland: „Eine der wichtigsten Funktionen der COP28 ist, dass das Klima für zwei Wochen Thema Nummer Eins ist. Aber die Welt müsste umschalten in den Notfallmodus und sich........

© Wiener Zeitung


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