In den USA ist die Sache klar: Jill Biden hat als First Lady ein eigenes Office samt Stab im Weißen Haus. In Österreich und fast ganz Europa liegen die Dinge anders. „Die Rolle der ‚First Lady‘ gibt es laut Verfassung nicht, und es gibt sie doch“, fasst Markus Langer zusammen. „Viele Menschen erwarten auch, dass der oder die Partner:in des bzw. der Präsident:in mittut“. Langer ist Historiker und seit 28 Jahren in der Hofburg beschäftigt, aktuell als Kabinettsvizedirektor von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er hat Präsidenten und ihre Ehepartnerinnen begleitet und weiß auch, wie sich die Rolle im Lauf der Zweiten Republik gewandelt hat.

Wie legt die amtierende First Lady, Doris Schmidauer, ihre Rolle an? Sie und ihr Mann Alexander Van der Bellen sind nach einem turbulenten Wahlkampf seit Jänner 2017 Österreichs First Couple und teilen eine politische und berufliche Vergangenheit bei den Grünen. Schmidauer war als Geschäftsführerin des Parlamentsklubs eher im Hintergrund tätig.

Im Gespräch mit der WZ sagt sie: „Die Rolle der First Lady ist eine, die man sehr gut selbst gestalten kann, wenn man das möchte. Es gibt ja keine Job Description, kein Pflichtenheft, das man in die Hand gedrückt bekommt, wenn man hier ankommt, in dem steht, was zu tun oder zu lassen wäre.“ Aber es gibt Vorgängerinnen. Und Margit Fischer gab Schmidauer anfangs Folgendes mit: „Man soll sich gut überlegen, welche Akzente man zur Unterstützung des Bundespräsidenten, für das Land, setzen kann, es ist ja auch eine hohe Verantwortung, die man mitrepräsentiert. Aber man soll sich nicht künstlich etwas aufsetzen, was einem nicht entspricht, und glauben, dass man da jetzt irgendwelche Erwartungen erfüllen muss.“

Als eine, die sich schon immer „leidenschaftlich engagierte“, hat sich Schmidauer für den Schritt nach vorn in eine aktive Rolle entschieden: „Ich will das Amt bestmöglich unterstützen.“ Gerade weil die Frau des Bundespräsidenten formal keinen Auftrag hat, braucht es viel Fingerspitzengefühl, Diplomatie und gute Abstimmung. Schmidauer ist nicht nur bei offiziellen Anlässen an Van der Bellens Seite. Sie hat sich auch eigene thematische Schwerpunkte gesucht, die sie als Teil der Präsidentschaftskanzlei vertritt und unterstützt. Und sie ist, so wie schon zu Zeiten, als Van der Bellen Grünen-Chef war, auch politische Beraterin ihres Mannes. Als Präsident und First Lady müssen die beiden unabhängig agieren.

Die Themen, die Schmidauer politisch wichtig sind, haben sich nicht geändert: der Kampf gegen Frauenarmut, für Gerechtigkeit, Klimaschutz. „Mein Zugang ist, nicht nur einmalig etwas zu machen oder auf jedem Kirtag eine Grußbotschaft zu hinterlassen, sondern dranbleiben an den Themen.“

Übersetzt bedeutet das viel Arbeit im Hintergrund: So wie schon ihre Vorgängerinnen ist auch Schmidauer eine Netzwerkerin. Sichtbar ist ihr Einsatz als Unterstützerin von diversen Organisationen und Vereinen, wie zum Beispiel für die #wirtun-Kampagne der Caritas, die Frauen in Not hilft. Oder für die katholische Frauenbewegung – „nicht, weil ich so katholisch bin, aber weil ich finde, das, was so viele Frauen in den Pfarren leisten, wird zu wenig wertgeschätzt“. Schirmherrin der österreichischen Bürgermeisterinnen ist sie obendrein und will mehr Frauen ermutigen, politisch in die erste Reihe zu treten.

Fürsprecherin für ihre Themen ist sie auch bei Zusammenkünften ihres Mannes mit anderen Staatsoberhäuptern, sei es als Besucher:in oder Gastgeber:in. Ein klassisches „Damenprogramm“ wie früher gibt es nicht mehr, nicht nur, weil es nun „Partner:innenprogramm“ heißt. So gut wie alle First Ladys haben ihre eigenen Schwerpunkte, die bei diesen Terminen Beachtung finden. Man besucht Unternehmen, Forschungsstätten, Bildungseinrichtungen oder Hilfsorganisationen. Über die UN Women ist Schmidauer international ebenfalls vernetzt, zu vielen „Amts“kolleginnen gibt es auch abseits offizieller Staatsbesuche Kontakt und Austausch. Eine Freundschaft ist zur deutschen First Lady Elke Büdenbender entstanden.

Wichtig ist für Schmidauers Tun: „Alles, was ich mache, passiert im Rahmen der Unterstützung des Bundespräsidenten in seiner Amtsausübung“, sagt sie, „ob ich ihn bei Reisen begleite, bei Veranstaltungen vertrete oder selbst welche organisiere, es ist immer in Absprache mit der Präsidentschaftskanzlei.“ Mal übernimmt sie anstelle Van der Bellens einen Ehrenschutz oder eine Grußbotschaft, mal hält sie eine Rede. Zu ihrer Rolle als Beraterin sagt sie: „Es ist nicht so, dass wir nach Hause kommen, die Tür geht zu und Politik spielt keine Rolle mehr. Natürlich besprechen wir alles miteinander, so wie schon immer.“

Egal, wie viel Zeit eine First Lady investiert, bezahlt wird sie dafür nicht, es ist eine ehrenamtliche Tätigkeit. Weshalb das Ausmaß des Engagements in dieser Rolle auch eine Entscheidung über die Vereinbarkeit mit dem Brotjob einer First Lady ist. Bei Schmidauer erledigte sich die Frage unerwartet von selbst: Die Grünen flogen bei der Nationalratswahl im Oktober 2017 aus dem Parlament, damit war ihr Job als Klub-Geschäftsführerin Geschichte – und auch eine etwaige Diskussion über die Vereinbarkeit mit dem Amt ihres Mannes. Zwar meldete Schmidauer noch ihr Gewerbe als Unternehmensberaterin an, aktiv tätig war sie als solche aber bisher nicht. „Dafür ist einfach keine Zeit geblieben“, erklärt sie mit Blick auf ihren vollen Terminkalender.

Die schon erwähnte Frau des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, Elke Büdenbender, hatte sich während der ersten Amtszeit als Richterin karenzieren lassen, nun arbeitet sie wieder. Margot Klestil-Löffler, zweite Ehefrau des verstorbenen Bundespräsidenten Thomas Klestil, war in seiner Amtszeit weiter im Außenamt tätig. Was das Protokoll bei Staatsbesuchen manches Mal forderte, wenn auch die Außenministerin dabei war und es darum ging, wer bei Empfängen wo Aufstellung nimmt. Wie Schmidauer war Klestil-Löffler als First Lady sehr aktiv, galt sogar als Einflüsterin. Margit Fischer zeichnete sich durch ihr soziales Engagement aus, für ihren Einsatz für Frauen will auch Schmidauer in Erinnerung bleiben.

Die Rolle der First Lady in Österreich wurde also schon von vielen mit Leben erfüllt – aber ganz so lang, wie man glauben könnte, auch wieder nicht, weiß Historiker Langer. Die erste öffentlich wahrnehmbare „First Lady“ der Zweiten Republik gab es erst mit dem dritten Bundespräsidenten, denn die Frau des ersten, Karl Renner, Luise, hatte auf Auftritte weitgehend verzichtet. Nachfolger Theodor Körner war unverheiratet. Und auch die Frau an Adolf Schärfs Seite war nicht seine Ehefrau, sondern Tochter Martha Kyrle, die für die repräsentative Rolle ihren Arztberuf aufgab. Auf seine Tochter Laura als Begleitung bei offiziellen Terminen setzt derzeit auch Italiens Präsident Sergio Mattarella, der, wie Schärf einst, verwitwet ist.

Die erste, die in der Rolle eigene Termine wahrnahm, war Herma Kirchschläger, sagt Langer, unter anderem initiierte sie regelmäßige Treffen mit Diplomatengattinnen. Vorgängerin Margarete Jonas war bei Terminen zwar an der Seite ihres Mannes, „wahnsinnig angenehm war ihr das aber nie“, sagt Langer. Mit Kirchschläger begann langsam die Ära der First Couples, also dem regelmäßigen gemeinsamen Auftreten des Präsidentenpaares und alle weiteren nach ihr setzten neben der repräsentativen Rolle auch eigene inhaltliche Akzente.

Auf eines wartet Österreich noch: den ersten „First Gentleman“.

In der Serie „Was macht eigentlich ein:e…?“ beschreibt Jasmin Bürger alle zwei Wochen die Schaltstellen der Republik. Alle Texte findet ihr in ihrem Autor:innenporträt.

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Was macht eigentlich die „First Lady“?

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24.03.2024

In den USA ist die Sache klar: Jill Biden hat als First Lady ein eigenes Office samt Stab im Weißen Haus. In Österreich und fast ganz Europa liegen die Dinge anders. „Die Rolle der ‚First Lady‘ gibt es laut Verfassung nicht, und es gibt sie doch“, fasst Markus Langer zusammen. „Viele Menschen erwarten auch, dass der oder die Partner:in des bzw. der Präsident:in mittut“. Langer ist Historiker und seit 28 Jahren in der Hofburg beschäftigt, aktuell als Kabinettsvizedirektor von Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Er hat Präsidenten und ihre Ehepartnerinnen begleitet und weiß auch, wie sich die Rolle im Lauf der Zweiten Republik gewandelt hat.

Wie legt die amtierende First Lady, Doris Schmidauer, ihre Rolle an? Sie und ihr Mann Alexander Van der Bellen sind nach einem turbulenten Wahlkampf seit Jänner 2017 Österreichs First Couple und teilen eine politische und berufliche Vergangenheit bei den Grünen. Schmidauer war als Geschäftsführerin des Parlamentsklubs eher im Hintergrund tätig.

Im Gespräch mit der WZ sagt sie: „Die Rolle der First Lady ist eine, die man sehr gut selbst gestalten kann, wenn man das möchte. Es gibt ja keine Job Description, kein Pflichtenheft, das man in die Hand gedrückt bekommt, wenn man hier ankommt, in dem steht, was zu tun oder zu lassen wäre.“ Aber es gibt Vorgängerinnen. Und Margit Fischer gab Schmidauer anfangs Folgendes mit: „Man soll sich gut überlegen, welche Akzente man zur Unterstützung des Bundespräsidenten, für das Land, setzen kann, es ist ja auch eine hohe Verantwortung, die man mitrepräsentiert. Aber man soll sich nicht künstlich etwas aufsetzen, was einem nicht entspricht, und glauben, dass man da jetzt irgendwelche Erwartungen erfüllen muss.“

Als eine, die sich schon immer „leidenschaftlich engagierte“, hat sich Schmidauer für den Schritt nach vorn in eine aktive Rolle entschieden: „Ich will das Amt bestmöglich unterstützen.“........

© Wiener Zeitung


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