Ohne Moos nichts los. Ein Präsidentschaftswahlkampf in den USA kostet exorbitant viel Geld. Das war nicht immer so extrem, eine Zeitlang hielt es sich im Rahmen, weil die Kandidaten ihre Ausgaben aus staatlichen Töpfen refundiert bekommen konnten.

Dann kam der charismatische Barack Obama auf die nationale Bühne. Weder er noch sein Gegner, John McCain, wollten sich an das Limit halten. Sie entschieden beide, dass sie ihren Wahlkampf aus rein privaten Spenden finanzieren werden. Das Resultat: Der Wahlkampf Obama vs. McCain 2008 machte mit über 1,8 Milliarden Dollar einen Sprung von mehr als 80 Prozent an Wahlkampfkosten gegenüber dem vorangegangenen aus dem Jahr 2004.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 (Donald Trump gegen Hillary Clinton) wurden 1,6 Milliarden Dollar in die Hand genommen. 2020 (Joe Biden gegen Donald Trump) war es das zweieinhalbfache: 4,1 Milliarden Dollar. Beobachtern zufolge wird diese Summe 2024 nochmal heftig ansteigen.

Lang galt die Faustregel: Du musst mehr Geld ausgeben als dein:e Kontrahent:in. Das bedeutet für die Kandidat:innen: werben, schmeicheln, versprechen, zusagen. Hauptsache Geld. Hauptsache mehr. Bei den Präsidentschaftswahlen genauso wie bei den Kongresswahlen.

„Aber wir haben gesehen: Geld allein macht es eben nicht aus“, sagt Daniel Benjamin, Präsident der American Academy in Berlin. Denn Geld ist nur dazu da, um die Wähler:innen zu mobilisieren. Und zwar im Endeffekt nur die Wähler:innen, die sonst lieber zu Hause bleiben, als sich an einem Dienstag die Beine in den Bauch zu stehen. Denn: Gewählt wird in den USA immer an einem Dienstag, an einem Werktag. Besonders unfreundlich für die arbeitende Bevölkerung.

Dass Geld die Wähler:innen umstimmt, dieser Illusion gibt sich inzwischen kaum jemand hin. Das funktioniert nicht einmal in der eigenen Partei. Trumps interne Herausforderin, Nikki Haley, hatte vergleichsweise deutlich mehr Geld zur Verfügung. Großspender, etwa konservative Unternehmen wie der Sportbekleidungs-Produzent New Balance, versuchten alles, was in ihrer finanziellen Macht steht, um eine Person an die Spitze der Republikaner zu hieven, die nicht nur Steuervergünstigungen verspricht – sondern auch berechenbar ist.

Nutzte nichts. „Die republikanische Basis will Trump, und sonst niemanden“, sagt Benjamin. Natürlich seien historisch gesehen Frauen immer im Nachteil bei Wahlen auf der nationalen Bühne. Aber bei der Stichwahl Trump vs. Haley hätte das Geschlecht auch nicht den Ausschlag gegeben. Trump mobilisiert – und die moderaten Konservativen werden mitgespült. „Es gibt einerseits genug, die niemals in ihrem Leben die andere Partei wählen würden. Und dann gibt es jene, die die Zähne zusammenbeißen und dann eben doch die Partei der Steuervergünstigungen wählen“, sagt Benjamin.

Soweit die Rahmenbedingungen. Jetzt stehen beide Kandidaten allerdings vor dem Problem, dass sie mit einem höheren Handicap antreten, als das noch vor vier Jahren der Fall war. Bei Biden ist das fraglos sein Alter: 81 Jahre fühlt sich anders an als 77 bei der letzten Wahl. Aber auch sein Kontrahent ist in die Jahre gekommen. Bei Trump, jetzt (kernige) 77, kommt die Tatsache dazu, dass ein hoher Betrag seiner eingesammelten Geldspenden in die Anwaltskosten für seine vielen Prozesse fließt. Das könnte zumindest den oder die eine:n oder andere:n abschrecken. Das weiß Trump auch. Der beißt inzwischen in den sauren Apfel und ruft so manchen potenziellen Spender selbst an. Solche Bettelanrufe waren ihm in den vergangenen Wahlkämpfen fremd. Da hatte seine Strahlkraft noch ausgereicht.

„In gewisser Weise treten zwei Amtsinhaber gegeneinander an: Biden ist Präsident, Trump war es vor vier Jahren.“ Damit haben sie einen anderen Stand in ihrer Partei als potenzielle Herausforderer. Weil sie schon gezeigt haben, dass sie es können.

Dass beide Kandidaten in die Jahre gekommen sind, hat auch einen Vorteil. Sie sind seit Dekaden auf der nationalen politischen Bühne unterwegs. Geldgeber wissen, was sie bekommen. Das hilft vor allem bei Biden. Hier wird Stabilität versprochen. Biden hat einige legislative Großprojekte durchgeboxt. Und – vielleicht die größte Perle in seiner Krone – er hat Trump schon einmal besiegt, unterstreicht Benjamin.

Der Hedge Fund Euclidean Capital hat 2,5 Millionen Dollar in das Biden-Lager gesteckt. Der Kopf hinter dem Hedge Fund, der Milliardär James Simons, ist mittlerweile 85 Jahre alt. Der 93-jährige George Soros steht hinter dem Political Action Comitee „Democracy PAC II“. Das hat schon 2,25 Millionen Dollar für Biden locker gemacht. Sind es nur alte, weiße Männer, die für die Demokraten tief in die Taschen greifen? Wenn man sich individuelle Spenden ansieht, bekommt man manchmal den Eindruck. Aber es spenden auch Gewerkschaftsvertreter:innen für das demokratische Lager. Und die Mittelschicht wird vom „Future Forward USA Action“ Komitee vertreten – das schon an die 8,5 Millionen gespendet hat.

Donald Trump andererseits profitiert von seinem Leben als Hotelier und TV-Star. In den beiden Vergnügungsstädten Las Vegas und Atlantic City war Trump als Hotelier unterwegs – etwa mit Trump Plaza, Trump Taj Mahal und Trump International Hotel. Die Städte waren und sind regelmäßig Austragungsorte für diverse Wrestling-Events. Der größte Promoter dieses Show-Kampfes ist das World Wrestling Entertainment, das dem Ehepaar Vince und Linda McMahon gehört. Beide sind Trump seit Jahren verbunden, beide ebenfalls jenseits der 70. Für den diesjährigen Wahlkampf haben sie schon 5,2 Millionen Dollar an Trump gespendet. Dann gibt es noch ein paar Großspender. Aber die Liste ist bei Trump, im Vergleich zu Biden, eigenartig kurz.

Normalerweise müsste man annehmen, dass sich gerade die Unternehmen bei den Republikanern anstellen. Doch dieses Phänomen ist mit Trump vorbei. Er gilt als zu instabil, und Chaos ist Gift für die Märkte. Bester Beweis: In einem verzweifelten Versuch, die traditionellen republikanischen Werte zu verteidigen, haben viele Großspender Trumps Herausforderin Haley Unmengen an Geld gespendet. Der Hedge Fund Elliott Management hat für Haley fast sechs Millionen locker gemacht, ein weiterer fünf Millionen und New Balance immerhin 2,5 Millionen.

Doch während Biden und Haley von Großspendern mit Geld überhäuft werden, hat Trump die Nase bei den Kleinspendern vorn. Und derzeit eben auch in allen Swing States. Will heißen: In Bundesstaaten, die mal so, mal so wählen, gibt es mehr Personen, die sich mit Trump so weit identifizieren, dass sie ihm eine Geldspende zuteilwerden lassen. Und nicht Biden. Der momentan auf den größeren Geldspenden sitzt.

Hier hat die Struktur der Geldgeber:innen eine eigenartige Wende erfahren. Die Republikaner sind nicht mehr die Partei für die Unternehmen, sondern die Partei für die weniger gebildeten Amerikaner, die Blue Collar Worker. „Es sind jene, die sich im Stich gelassen fühlen. Die die Homo-Ehe nicht wollen. Oder eine Bevorzugung von Minderheiten“, sagt Benjamin. Dagegen sind die Demokraten – obwohl sie von den Gewerkschaften der Arbeiter unterstützt werden – die Partei der besser Gebildeten. Jener, die sich für internationalen Handel einsetzen. Für Minderheiten. Und für legalen Schwangerschaftsabbruch.

Allerdings ist beim jetzigen Wahlkampf zu beobachten, dass einige Unternehmen sich nicht offiziell positionieren wollen. Denn die Lager in den USA stehen einander unversöhnlich gegenüber. Es ist für einige ein unnötiges PR-Desaster, rund 50 Prozent der Bevölkerung zu vergrämen.

Die US-Politologin Lynn Vavreck erklärte unlängst in einer Gesprächsreihe der American Academy mit Benjamin, dass die Positionen der Parteien Raum für Kompromisse zuließen: Wie viel Steuern? Wie viel Staat? Wie viel Gesundheitsvorsorge? Heute ist es: Für oder gegen Schwangerschaftsabbruch? Für oder gegen Migration? Bei diesen Fragen scheint es unmöglich zu sein, sich in der Mitte zu treffen. Und solang ein Unternehmen nicht absolut von der Sache überzeugt ist, wird es seine finanzielle Unterstützung eher im Dunklen halten. Oder es sichert sich ab, indem es an beide Seiten spendet. Exxon Mobile hat 2020 rund 58 Prozent seiner politischen Spenden in die Republikaner investiert, 42 Prozent in die Demokraten.

QOSHE - Woher kommt das Geld für den US-Wahlkampf? - Konstanze Walther
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Woher kommt das Geld für den US-Wahlkampf?

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24.03.2024

Ohne Moos nichts los. Ein Präsidentschaftswahlkampf in den USA kostet exorbitant viel Geld. Das war nicht immer so extrem, eine Zeitlang hielt es sich im Rahmen, weil die Kandidaten ihre Ausgaben aus staatlichen Töpfen refundiert bekommen konnten.

Dann kam der charismatische Barack Obama auf die nationale Bühne. Weder er noch sein Gegner, John McCain, wollten sich an das Limit halten. Sie entschieden beide, dass sie ihren Wahlkampf aus rein privaten Spenden finanzieren werden. Das Resultat: Der Wahlkampf Obama vs. McCain 2008 machte mit über 1,8 Milliarden Dollar einen Sprung von mehr als 80 Prozent an Wahlkampfkosten gegenüber dem vorangegangenen aus dem Jahr 2004.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2016 (Donald Trump gegen Hillary Clinton) wurden 1,6 Milliarden Dollar in die Hand genommen. 2020 (Joe Biden gegen Donald Trump) war es das zweieinhalbfache: 4,1 Milliarden Dollar. Beobachtern zufolge wird diese Summe 2024 nochmal heftig ansteigen.

Lang galt die Faustregel: Du musst mehr Geld ausgeben als dein:e Kontrahent:in. Das bedeutet für die Kandidat:innen: werben, schmeicheln, versprechen, zusagen. Hauptsache Geld. Hauptsache mehr. Bei den Präsidentschaftswahlen genauso wie bei den Kongresswahlen.

„Aber wir haben gesehen: Geld allein macht es eben nicht aus“, sagt Daniel Benjamin, Präsident der American Academy in Berlin. Denn Geld ist nur dazu da, um die Wähler:innen zu mobilisieren. Und zwar im Endeffekt nur die Wähler:innen, die sonst lieber zu Hause bleiben, als sich an einem Dienstag die Beine in den Bauch zu stehen. Denn: Gewählt wird in den USA immer an einem Dienstag, an einem Werktag. Besonders unfreundlich für die arbeitende Bevölkerung.

Dass Geld die Wähler:innen umstimmt, dieser Illusion gibt sich inzwischen kaum jemand hin. Das funktioniert nicht einmal in der eigenen Partei. Trumps interne Herausforderin, Nikki Haley, hatte vergleichsweise deutlich mehr Geld zur Verfügung. Großspender, etwa konservative Unternehmen wie der Sportbekleidungs-Produzent New Balance, versuchten alles, was in ihrer finanziellen........

© Wiener Zeitung


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