Im Nichts endende Radwege, parkende SUVs am Fahrradstreifen, kein flächendeckendes Radnetz. Wien macht es Radfahrer:innen nicht leicht. In der Bundeshauptstadt hat das Auto Vorrang.

Doch nicht überall ist die Situation gleich. Die Fahrrad-Infrastruktur variiert von Bezirk zu Bezirk. Manche Grätzl sind Rad-Eldorados, andere kaum durchquerbar. Wie Fahrrad-freundlich ein Bezirk ist, lässt sich an einem Kriterium gut messen – der Anzahl seiner geöffneten Einbahnen.

Fahrradfahren gegen die Einbahn sei die beste und günstigste Möglichkeit, ein lückenloses Radnetz zu erschließen, sagt Ulrich Leth, Experte für Mobilität an der Technischen Universität Wien. Entgegen aller Kritik ist es auch sicher. Es besteht konstant Sichtkontakt zwischen Fahrrad und Pkw. Gerade in den Tempo-30-Zonen macht eine stadtweite Öffnung der Einbahnstraßen deshalb viel Sinn.

Wie viele offene Einbahnen es gibt, liegt an den jeweiligen Bezirksvorsteher:innen – sie können das Öffnen der Einbahnstraßen für Fahrräder bei der Wiener Verkehrsorganisation (MA 46) beantragen. Das führt zu großen Unterschieden innerhalb der Stadt.

Die WZ hat sämtliche Einbahnstraßen in Wien analysiert. Das Ergebnis: In keinem Bezirk sind so wenige Einbahnstraßen für Fahrräder geöffnet wie in Döbling. Und nirgends so viele wie im benachbarten Währing.

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In Währing sind rund 86 Prozent der Einbahnstraßen für das Fahrrad geöffnet. In Döbling sind es nur zwölf Prozent. Auch der Blick auf die Karte verdeutlicht den Unterschied der beiden benachbarten Bezirke.

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Für den Döblinger Bezirksvorstand Daniel Resch (ÖVP) gibt es in seinem Bezirk kaum Bedarf für Einbahnöffnungen. Resch sagt, dass zu wenig Menschen in Döbling mit dem Fahrrad fahren, deshalb stellt er auch keine Anträge bei der MA 46. Einbahnen sollen laut ihm nur geöffnet werden, wenn es Sinn macht und nicht, „um eine Statistik in die Höhe zu treiben“. Er bezweifelt, dass mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren, wenn es mehr geöffnete Einbahnen gäbe.

Anders sieht das Silvia Nossek (Die Grünen), Bezirksvorsteherin in Währing. Sie ging von Beginn an in die Offensive und öffnete fast alle Einbahnstraßen ihres Bezirks. Nossek sagt, dass der Aufwand in Relation zum Komfortgewinn für das Fahrrad gering war. Und sie betont, dass es ihr nicht darum geht, wie viele Menschen aktuell mit dem Fahrrad fahren, sondern wie viele mehr fahren könnten. Studien zeigen, dass mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren, wenn die Infrastruktur stimmt. Ist das Radnetz gut, rollen auch mehr Räder.

Dafür bekommt Nossek regelmäßig Rückmeldungen, dass das Fahrradfahren in anderen Bezirken mühsamer ist als in ihrem – überall sonst sind weniger Einbahnen geöffnet. Das zeigt auch unsere Auswertung.

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Die Wiener SPÖ rühmt sich, Wien zur Fahrradhauptstadt gemacht zu haben. Deshalb versprach sie 2020 nach einem Vorschlag der Fahrradlobby, sämtliche Einbahnstraßen innerhalb der Stadt zu öffnen. Nur wenn es örtliche Probleme gibt, sollte es Ausnahmen geben − wenn die Straße zu eng ist und es neben den Pkw keinen Platz für entgegenkommende Fahrräder gibt. Aber selbst dann können Ausweichbuchten gebaut werden.

Doch dafür müssten Parkplätze weichen, die der Stadt wichtiger seien als die Fahrräder, sagt Roland Romano von der Fahrradlobby Wien. Die Stadt nahm den Vorschlag zurück. Aus dem Versprechen der Wiener SPÖ wurde also nichts.

Auch im Jahr 2022 hätte sich die Regelung für das Fahren in Gegenrichtung der Einbahnen beinahe geändert. Die Grünen schufen gemeinsam mit der ÖVP eine Verkehrsnovelle, die bundesweit alle Einbahnen per Gesetz öffnet. Doch am Ende verhinderte erneut die rot-pinke Stadtregierung diesen Entwurf. Als Grund wurden anfallende Kosten genannt. Wie hoch diese gewesen wären, verriet die SPÖ Wien auf Nachfrage der WZ nicht.

Die Stadt Wien setzt nun auf baulich getrennte Radwege und investiert Rekordsummen − seit Beginn der Amtsperiode Rot-Pink rund 75 Millionen Euro. Das zeigt Wirkung, denn immer mehr Wiener:innen fahren mit dem Fahrrad. Aber gleichzeitig auch immer mehr Autos.

Weil Wien sich aber zum Ziel gesetzt hat, klimaneutral zu werden, muss die Stadt den Autoverkehr reduzieren. Das funktioniert beispielsweise, wenn Alternativen wie Fahrradfahren attraktiver werden. Eine lokal wirksame Möglichkeit bietet das Öffnen der Einbahnen.

„Um Einbahnstraßen zu öffnen, braucht es die richtigen Menschen und die richtigen Entscheidungen“, sagt Romano. Für ihn ist das Öffnen der Einbahnstraßen eine Möglichkeit, mit wenig Aufwand sehr viel zu ändern.

Wo man in Wien mit dem Fahrrad gegen die Einbahn fahren darf, zeigt folgende Karte.

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QOSHE - Durchfahrt verboten: Wie fahrradfreundlich sind Wiens Bezirke? - Maximilian Hatzl
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Durchfahrt verboten: Wie fahrradfreundlich sind Wiens Bezirke?

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03.04.2024

Im Nichts endende Radwege, parkende SUVs am Fahrradstreifen, kein flächendeckendes Radnetz. Wien macht es Radfahrer:innen nicht leicht. In der Bundeshauptstadt hat das Auto Vorrang.

Doch nicht überall ist die Situation gleich. Die Fahrrad-Infrastruktur variiert von Bezirk zu Bezirk. Manche Grätzl sind Rad-Eldorados, andere kaum durchquerbar. Wie Fahrrad-freundlich ein Bezirk ist, lässt sich an einem Kriterium gut messen – der Anzahl seiner geöffneten Einbahnen.

Fahrradfahren gegen die Einbahn sei die beste und günstigste Möglichkeit, ein lückenloses Radnetz zu erschließen, sagt Ulrich Leth, Experte für Mobilität an der Technischen Universität Wien. Entgegen aller Kritik ist es auch sicher. Es besteht konstant Sichtkontakt zwischen Fahrrad und Pkw. Gerade in den Tempo-30-Zonen macht eine stadtweite Öffnung der Einbahnstraßen deshalb viel Sinn.

Wie viele offene Einbahnen es gibt, liegt an den jeweiligen Bezirksvorsteher:innen – sie können das Öffnen der Einbahnstraßen für Fahrräder bei der Wiener Verkehrsorganisation (MA 46) beantragen. Das führt zu großen Unterschieden innerhalb der Stadt.

Die WZ hat sämtliche Einbahnstraßen in Wien analysiert. Das Ergebnis: In keinem Bezirk sind so wenige........

© Wiener Zeitung


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