Es ist hektisch, laut und stickig. Auf drei Spuren fahren Autos, mittig teilen sich Straßen- und Badner Bahn die Schienen. Eine Betonwüste im Herzen der Stadt. Die Rede ist von der Wiedner Hauptstraße. Der Messsensor schlägt an: Hier ist die Feinstaubbelastung besonders hoch.

Feinstaub, das ist ein Sammelbegriff für kleine Partikel, die in der Luft schwirren. Die kleinsten Teilchen gelangen bis in die Lungenbläschen. In Wien wird die Feinstaubbelastung von der Umweltschutzabteilung MA 22 an insgesamt 17 Stationen über das Stadtgebiet verteilt gemessen. Doch es gibt nicht nur die offiziellen Messstellen. Auch Privatpersonen sammeln Daten über die Luftqualität. Messgeräte gibt es schon um 50 Euro im Internet. Sie werden außen ans Fenster montiert oder auf den Balkon gehängt. 120 solcher privaten Messstationen gibt es bereits. Die Messdaten sind frei verfügbar.

Die WZ hat diese Daten und jene der Stadt Wien analysiert und zeigt euch, wie belastet die Luft in eurer Nachbarschaft ist.

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Anhand eines Messwertes Aussagen über eine ganze Straße zu treffen, ist schwierig. Denn Feinstaub verhält sich trickreich – bereits am Gehsteig schwirren erheblich weniger Teilchen herum als auf der Fahrbahn, erklärt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner der Medizinischen Universität Wien und Experte für Luftschadstoffe. Was viele nicht wissen: Die höchste Konzentration an Feinstaub bleibt bei den Hauptverursacher:innen – den Autofahrer:innen. Die Luft zirkuliert im Auto und man fährt in der eigenen Abgassuppe.

Aber Feinstaub ist nicht gleich Feinstaub. Unterschieden wird beim Durchmesser der Partikel – kleiner als 10 (PM10) und kleiner als 2,5 Mikrometer (PM2,5). Umso kleiner die Teilchen, umso gefährlicher sind sie. Und auch umso leichter. Das heißt, dass die vierfache Menge an PM2,5 die gleiche Masse an PM10 ergibt. Wenn die Messwerte also in Mikrogramm pro Kubikmeter definiert werden, sollte man das im Hinterkopf behalten. Es ist entscheidend, wie und wo gemessen wird.

Wo gemessen wird, weiß Silvio Heinze, Vorsitzender der Umweltschutzorganisation Luftdaten.at und Klubobmann der Neubauer Grünen. Viele der privaten Sensoren hat er selbst installiert. Heinze sieht sein Projekt als Ergänzung zur Wiener Umweltschutzabteilung MA 22. Denn die Stadt misst nur an 17 Standorten Feinstaub und andere Luftschadstoffe.

Die Standortwahl hängt davon ab, ob die Daten über Luftschadstoffe auf vergleichbare Orte übertragbar sind. Die an der städtischen Messstelle an der Taborstraße ermittelten Werte lassen sich etwa auch auf andere Orte mit ähnlich hohem Verkehrsaufkommen übertragen. Anhand dieser Messdaten berechnet die MA 22 anschließend ein Modell für die ganze Stadt, mit dem sie flächendeckende Aussagen zur Belastung der Luftqualität in den Straßen trifft.

Doch für Silvio Heinze ist das zu wenig. Er möchte den Bewohner:innen Wiens die Feinstaubbelastung vor der eigenen Haustür zeigen. Er betont jedoch, dass es schwierig bleibt, mit nur einem einzelnen Messpunkt Aussagen über ganze Straßen zu treffen.

Die gute Nachricht: Grundsätzlich geht die Schadstoffbelastung in Wien zunehmend zurück – auch wenn es 2021 wieder einen leichten Anstieg beim Feinstaub gab. Die schlechte Nachricht: Der Verkehr bleibt nach wie vor der größte Luftverschmutzer – gerade bei den sehr schädlichen Stickoxiden.

Stickoxide sind starke Reizgase, die vor allem bei Verbrennungsprozessen entstehen – in der Industrie und im Automotor.

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In Großstädten mit einem hohen Verkehrsaufkommen ist die Belastung an Stickoxiden deshalb sehr hoch, sagt Hutter. Und Stickoxid ist schwerer als Luft, weshalb er sich vor allem in Tälern absetzt. Deshalb ist die Luft in Graz etwa schlechter als die Luft in Wien.

Gemessen werden Stickoxide in Wien ebenfalls von der MA 22. Dabei ist die Wiener Umweltschutzabteilung auch für die Einhaltung mehrerer Bundesgesetze verantwortlich – wie etwa dem Immissionsschutzgesetz (IG-L).

Heinz Tizek von der MA 22 erklärt, dass die vom IG-L gesetzten Grenzwerte auch in Wien in den vergangenen Jahren allesamt eingehalten wurden und die Belastung an Schadstoffen abnimmt. Für den Umweltmediziner Hutter reicht das aber nicht. Er verweist auf die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Diese befürwortet eine weitaus niedrigere Obergrenze als die aktuell geltenden EU-Gesetze vorschreiben. Auch wenn die Luft in Wien relativ sauber ist, der empfohlene Wert der WHO wird an allen Messstellen überschritten – in ganz Österreich.

Wie sauber die Luft ist, hängt auch stark vom Wind ab. Wien gilt als vergleichsweise windige Stadt. Sogenannte Windschneisen sorgen für die relativ gute Luft innerhalb der Landeshauptstadt. Die Schneisen gehen, wie der Wind, von Nordwest nach Ost. Deshalb ist die Luft in der stark befahrenen Burggasse sauber – der Wind verbläst die Schadstoffe.

Ein Blick auf die Karte zeigt: Wo der Wind weniger bläst und das Verkehrsaufkommen groß ist, ist die Luft schlechter – etwa am Hietzinger Kai und an der Südosttangente.

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Der Wind bläst besonders in den Bezirken, die an den Wienerwald angrenzen. Auf den sanften Hügeln siedelten sich bereits früh in der Stadtgeschichte wohlhabende Menschen an – bis heute. Das zeigt auch ein Blick auf das durchschnittliche Nettoeinkommen der Wiener:innen. Das Durchschnittseinkommen in Währing und Döbling ist höher als in anderen Bezirken.

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Atmen die wohlhabenderen Menschen also die bessere Luft? Die Statistik sagt ja. Die Luftqualität ist dort besser, wo das Durchschnittseinkommen höher ist. Die Karte zeigt auch, dass die Luft am vielbefahrenen Gürtel schlechter ist – das Durchschnittseinkommen ist hier niedriger als in vielen anderen Gegenden Wiens.

Zurück zur Wiedner Hauptstraße. Die Stadt hat bereits neue Pläne für die Straße – sie soll „klimafit“ werden. Eine groß angesetzte Umgestaltung soll noch bis Ende dieses Jahres abgeschlossen werden. Geplant sind unter anderem mehr Radwege und Grünflächen. Die Frage bleibt, ob sich dadurch auch der Autoverkehr nachhaltig reduziert. Denn nur so verringern sich Luftschadstoffe. Und man kann durchatmen.

QOSHE - Wo die Luft in Wien am schlechtesten ist - Maximilian Hatzl
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Wo die Luft in Wien am schlechtesten ist

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24.03.2024

Es ist hektisch, laut und stickig. Auf drei Spuren fahren Autos, mittig teilen sich Straßen- und Badner Bahn die Schienen. Eine Betonwüste im Herzen der Stadt. Die Rede ist von der Wiedner Hauptstraße. Der Messsensor schlägt an: Hier ist die Feinstaubbelastung besonders hoch.

Feinstaub, das ist ein Sammelbegriff für kleine Partikel, die in der Luft schwirren. Die kleinsten Teilchen gelangen bis in die Lungenbläschen. In Wien wird die Feinstaubbelastung von der Umweltschutzabteilung MA 22 an insgesamt 17 Stationen über das Stadtgebiet verteilt gemessen. Doch es gibt nicht nur die offiziellen Messstellen. Auch Privatpersonen sammeln Daten über die Luftqualität. Messgeräte gibt es schon um 50 Euro im Internet. Sie werden außen ans Fenster montiert oder auf den Balkon gehängt. 120 solcher privaten Messstationen gibt es bereits. Die Messdaten sind frei verfügbar.

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Anhand eines Messwertes Aussagen über eine ganze Straße zu treffen, ist schwierig. Denn Feinstaub verhält sich trickreich – bereits am Gehsteig schwirren erheblich weniger Teilchen herum als auf der Fahrbahn, erklärt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner der Medizinischen Universität Wien und Experte für Luftschadstoffe. Was viele nicht wissen: Die höchste Konzentration an Feinstaub bleibt bei den Hauptverursacher:innen – den Autofahrer:innen. Die Luft zirkuliert im Auto und man fährt in der eigenen Abgassuppe.

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