Vor noch nicht einmal zehn Jahren galt die FPÖ als männer-dominiert, heute wählen immer mehr Frauen die rechtspopulistische Partei. Sie entscheiden sich für eine Partei, die die Rolle der Frauen beim Putzen, Kochen und Kindererziehen sieht.
Wer sind die weiblichen Fans von Herbert Kickl? Und warum?

Regina R. klappt ihre Handyhülle aus dunkelrotem Leder auf. Sie öffnet die Facebook-App. Sie tippt.

„Lieber Herbert Kickl... ein Politiker mitten unterm Volk... ohne Bodyguards... das muss man suchen!!! DANKE HERBERT!!!!!“ (Emojis mit herzförmigen Augen zeugen von Bewunderung.)

Regina R. ist 56 Jahre alt. In ihrem Heimatort in Niederösterreich leben 5.000 Einwohner:innen. Sie fürchtet sich vor Veränderung im Ort. Asylchaos. Frauenmord. Bedrohungen. Sie hat davon schon viel auf Facebook und Telegram gelesen.
Regina R. wählt deshalb die FPÖ. Als Frau ist sie damit längst keine Ausnahme mehr.

Laut Hochrechnungen entscheiden sich zum Beispiel in Salzburg 23 Prozent der Frauen für Blau, das sind rund 15 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Auch in anderen Bundesländern wie etwa Niederösterreich wählt fast ein Viertel der Frauen freiheitlich. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal fünf Prozent. Die ehemals männerlastige Partei spricht in den letzten Jahren also immer mehr Wählerinnen an.

„Liebe Frauen, (…) Ihr managt den Haushalt, ihr besorgt die Einkäufe, ihr organisiert die täglichen Mahlzeiten, ihr übernehmt die Kinderbetreuung und Kindererziehung.
Ihr, liebe Frauen, seid es, die den Männern daheim den Rücken freihalten.“
In der Rede, von der man meinen könnte, sie stamme aus den 1930er-Jahren, wendet sich Bundesparteiobmann Kickl via Youtube an seine Wählerinnen.

„Dass Männer nicht als Kindererzieher angesprochen werden, zeigt eine Schieflage der Geschlechterrollen“, sagt die Geschlechterforscherin und Politologin Birgit Sauer. Aufgaben der Frau werden von der FPÖ klar festgelegt und spiegeln eine klassisch hierarchische Vorstellung der Rollenbilder. Die FPÖ vermittelt klare Geschlechterbilder, eine traditionelle heterosexuelle Kleinfamilie, in der der Mann als Familienernährer fungiert, die Frau als Hausfrau und Mutter. Was hat das mit Freiheit zu tun?

Regina R. wählt dennoch die FPÖ. Sauer weiß wieso: „Kickl bietet keine Lösungen an, weiß aber genau, wo die Probleme liegen und zeigt gezielt auf diese.“

Anders als seine Vorgänger Heinz-Christian Strache und Jörg Haider, setzt Herbert Kickl nicht auf Attraktivität. „Er gehört zum Gegenbild von Lebemännern, besucht keine Veranstaltungen wie etwa den Akademikerball. Er verkörpert den braven Biedermann, den Mann, dem man vertrauen kann. Bei dem man keine Angst haben muss, dass er im Koksrausch Österreich verkaufen will oder im Alkoholrausch mit dem Auto gegen die Wand donnert“, sagt Sauer. Sicherheit und Macht zu verkörpern, sind seine strategischen Maßnahmen.

Der Tonfall seiner Reden ist aggressiv und herablassend. Er bedient sich am faschistischen Stil und bezeichnet sich selbst als Volkskanzler, „als wüsste er nicht, wer diesen Begriff auch schon benutzt hat“, sagt Birgit Sauer. Sie beschreibt seine Präsentation als eine Art männliches Rittertum. Es handle sich nicht um das Pferd, auf dem Kickl gern reitet. Seine pointierte Strategie, das Gefühl zu vermitteln, er löse mit seiner Männlichkeit alle Probleme, zieht er durch. „Er erscheint und kann Frauen retten“, analysiert Sauer.

Berggipfel. Felder. Lauf-Montur. Landschaft. Österreich. Kickl kann auch anders als aggressiv. Auf seinem Instagram-Profil zeigt er sich natur- und vor allem österreich-verbunden. „Die Maske des braven Biedermanns zieht sich wie ein roter Faden durch seine Inszenierung. Auch hier setzt er sich von Strache und Haider ab, lässt sich nicht verführen und stolpert nicht über seine Eitelkeit“, sagt Expertin Sauer.

Ganz ohne Aggressivität geht es aber auch nicht: Ein Foto von ihm beim Wandern hat die Bildunterschrift: „Unser Land ist viel zu schön, um von den Angsthasen der ÖVP oder den Realitätsverweigerern der SPÖ regiert zu werden.“

Kickl und die FPÖ sind nicht einzigartig in Europa: In vielen europäischen Ländern erleben rechtspopulistische Parteien derzeit einen deutlichen Aufschwung. Sie profitieren von Krisen wie Pandemie, Krieg und Klima-Erwärmung. Bei vielen Menschen ist der Alltag von Angst und Verzweiflung geprägt. Potenzielle FPÖ-Wählerinnen wollen ihren Job nicht an Migrant:innen verlieren, ihren Wohlstand und vor allem ihre Privilegien als Teil der weißen Mehrheitsgesellschaft nicht aufgeben. Rechtspopulistische Parteien geben einfache Antworten auf komplexe Fragen. Das FPÖ-Parteiprogramm bildet das ab.

Auch Regina R. merkt, dass diese Postings etwas mit ihr machen. Sie greift heute häufiger nach ihrer Handtasche, checkt lieber zweimal, ob ihre Haustür zugesperrt ist. Sie findet Anklang in ihren Facebook-Gruppen. Regina R. tippt fertig, klappt ihre Leder-Handyhülle wieder zu. Jetzt reicht es, genug Internet für heute. Und doch lebt sie in ihrer Bubble weiter.

QOSHE - Kickl und die Frauen - Nora Schäffler
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Kickl und die Frauen

10 12
08.03.2024

Vor noch nicht einmal zehn Jahren galt die FPÖ als männer-dominiert, heute wählen immer mehr Frauen die rechtspopulistische Partei. Sie entscheiden sich für eine Partei, die die Rolle der Frauen beim Putzen, Kochen und Kindererziehen sieht.
Wer sind die weiblichen Fans von Herbert Kickl? Und warum?

Regina R. klappt ihre Handyhülle aus dunkelrotem Leder auf. Sie öffnet die Facebook-App. Sie tippt.

„Lieber Herbert Kickl... ein Politiker mitten unterm Volk... ohne Bodyguards... das muss man suchen!!! DANKE HERBERT!!!!!“ (Emojis mit herzförmigen Augen zeugen von Bewunderung.)

Regina R. ist 56 Jahre alt. In ihrem Heimatort in Niederösterreich leben 5.000 Einwohner:innen. Sie fürchtet sich vor Veränderung im Ort. Asylchaos. Frauenmord. Bedrohungen. Sie hat davon schon viel auf Facebook und Telegram gelesen.
Regina R. wählt deshalb die FPÖ. Als Frau ist sie damit längst keine Ausnahme mehr.

Laut Hochrechnungen entscheiden sich zum Beispiel in Salzburg 23 Prozent der Frauen für Blau, das sind rund 15 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Auch in anderen Bundesländern wie etwa Niederösterreich wählt fast ein Viertel der Frauen freiheitlich. Vor zehn Jahren waren es gerade einmal fünf Prozent. Die ehemals männerlastige Partei........

© Wiener Zeitung


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