Ob Fastenzeit, gute Vorsätze vom Jahresanfang oder Fitnessprogramm für die Frühjahrsfigur – zurzeit ist es etwas mühselig, Familie oder Freunde zum Essengehen zusammenzutrommeln. Die einen trinken keinen Alkohol, die anderen setzen auf Low Carb. Andere wiederum wollen im Sinne des Intervallfastens nach 18 Uhr nichts mehr zu sich nehmen. Dann lieber zum Frühstücken verabreden? Auch das ist nicht leicht, weil einige, unter anderem mein Mann, das Frühstück derzeit aus ihrem Ernährungsplan gestrichen haben.

Früher mal galt Frühstücken als wichtigste Mahlzeit am Tag. Inzwischen ist das offenbar widerlegt. Ich will mich gar nicht einmischen, weil ich bei all den Ernährungs- und Gesundheitsstudien den Überblick verloren habe. Mein Metier ist der Genuss. Soviel ich jedoch bei der Ablehnung des Frühstücks verstanden habe, spielt weniger das eine Rolle, was man zu sich nimmt, als vielmehr der Zeitpunkt für die erste Mahlzeit am Tag. Damit der Körper darbt und aus Panik den schlankheitsfördernden und wohl auch verjüngenden Stoffwechsel anwirft, soll das erste Essen am Tag möglichst weit nach hinten verschoben werden.

Von mir aus gerne, denke ich. Das verträgt sich in Berlin wenigstens problemlos mit dem Frühstücken gehen. Im vergangenen Sommer hat bei mir in Prenzlauer Berg ein Ableger der israelischen Frühstücksrestaurantkette Benedict aufgemacht. Unter der Woche kann man hier bis 22 Uhr, am Wochenende sogar bis 23 Uhr ein Grilled Cheese Sandwich, Shakshuka, French Toast, sogar Steaks und natürlich sämtliche Variationen des namensgebenden Egg Benedict essen.

Obwohl das Frühstück bei uns zurzeit gestrichen ist, schaffte ich es, meine Familie hier zu versammeln. Wir gingen antizyklisch an einem Nachmittag unter der Woche, was nicht nur ernährungsphysiologisch ratsam ist. Denn genau zu den gängigen Frühstückszeiten am Vormittag, vor allem aber an den Wochenenden, ist hier die Hölle los.

gestern

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23.02.2024

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In Israel, dem Ursprung des Benedict, gibt es mittlerweile 17 Dependancen, auch in Berlin ist die Prenzlauer-Berg-Filiale nicht die erste. Los ging es mit dem Benedict 2016 im Wilmersdorfer Max Brown Hotel. Anfangs konnte man dort rund um die Uhr frühstücken, mittlerweile hat es dieselben Öffnungszeiten wie das neue Lokal. Die Eggs Benedict mit der schaumig geschlagenen Hollandaise sind dort immer makellos, am liebsten esse ich sie mit Schinken, Bacon und Avocado. Zuletzt jedoch, vor etwa einem Jahr, drehte ich entnervt wieder ab, weil die Schlange am Sonntagmittag so lang war.

Ähnliche Szenen spielen sich zu Stoßzeiten auch vor der Tür des Benedict nahe des Helmholtzplatzes ab. Rund 400 Gäste kommen im Durchschnitt pro Tag, an den Wochenenden seien es doppelt so viele, habe ich gehört. Leider ist aber Reservieren in der Unternehmensphilosophie nicht vorgesehen.

Um 16 Uhr, mitten in der Woche, laufen wir einfach rein, das Personal begrüßt uns standardmäßig mit einem freundlichen „Good morning“. Nur wenige der dunklen Hoch- und runden Holztische sind belegt, die Stühle weich gepolstert. Noch besser sitzt es sich auf den flaschengrünen Samtbänken entlang der Fensterfronten mit Blick in den Laden, der so aussieht wie großstädtische Frühstücksläden heute aussehen: geschmackvoll, mit sanft aufeinander abgestimmtem Material-, Farb- und Lichtkonzept.

Überfordert bin ich allerdings von der Auswahl auf der Karte. Wie dehnbar der Begriff Frühstück ist, zeigt sich hier. Im Levante-Stil zum Teilen gibt es etwa ein Auberginencarpaccio mit Tahini und Dattelsirup, Masabacha, also warmen Hummus mit Harissa und gehacktem Ei, einen Caesar-Frühstückssalat und meine unbedingte Empfehlung: den Turm von Babylon. Das ist das Signature Dish hier und eine Neuinterpretation des traditionellen Gerichts Sabich, das irakische Einwanderer nach Israel brachten.

Die Zutaten sind ein gekochtes Ei, mit viel Öl angebratene Aubergine in Scheiben und gegrillte Tomate – alles abwechselnd auf einem unheimlich knusprig frittierten Kartoffelpuffer als Türmchen aufgeschichtet. Und als reichte das an Kalorien nicht, läuft von oben eine cremig gerührt Tahini-Amba-Soße herunter. Eine fantastische Sauerei.

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17.02.2024

Ich beschließe, die internationalen Frühstücksklassiker auf der Karte wie das English Breakfast, den Classic French Toast, das deutsche Müsli oder auch das mit Shrimps und Thai-Basilkum verfeinerte Omelette namens Good Morning Bangkok zu ignorieren.

Die bereits erprobten Egg-Benedict-Variationen werden es diesmal auch nicht, ich gehe direkt zur Sektion „Grill & Eggs“ über. Angeblich eine „morgendliche Fleischküche“, wie sie in „verschiedenen Teilen der Welt üblich“ ist, so behauptet es die Karte.

Das 250 Gramm schwere Texas-Style-Sirlon-Steak mit zwei Spiegeleiern glaube ich, als erste Mahlzeit nicht zu verkraften. Doch der Benedict Brunch Burger klingt gut, natürlich auch er mit Ei, das hier der einzige gemeinsame Nenner zu sein scheint. Das Kartoffelmehl-Bun schmeckt grandios, alle Brotwaren stammen aus der hauseigenen Bäckerei. Es ist luftig und süßlich wie eine Brioche, das Besondere ist aber die gebräunte Butter, mit der es rundum noch mal angeschwitzt ist.

Unterstrichen wird dies von einer Mayonnaise darunter, die mit Ahornsirup und geröstetem Kaffee gemacht ist. Es folgen ein Spiegelei, Tomate und essigmarinierte Zwiebeln, bis ich mich zum drei Zentimeter dicken Fleischpatty vorgearbeitet habe, das pfeffrig und medium rare wie gewünscht ist. Nur die zusätzlich bestellte Avocado und den krossen Bacon mittendrin hätte ich mir sparen sollen. Das zu verdauen, legt meinen Magen und mich für den Rest des Tages lahm.

Ich gehe direkt ins Bett, und so macht das Benedict nicht nur den Nachmittag zum Morgen, sondern auch den Tag gleich zur Nacht. Oder wie es auf der Karte hier steht: „Where breakfast is not defined by time or space – but a window of possibilities ...“

Kleine Frühstücksgerichte sowie Beilagen 5–11,50 Euro, Frühstücksklassiker 11–21 Euro, Egg-Benedict-Variationen 19–22,50 Euro, Grill & Eggs 17,50–27 Euro, Pancakes 9,50–12,50 Euro

Benedict Prenzlauer Berg. Göhrener Straße 5, 10437 Berlin, Mo–Fr 9–22 Uhr, Sa–So 8.30–22 Uhr, Tel.: 994040997, pberg.benedict.world

QOSHE - Benedict im Prenzlauer Berg: Die besten Frühstücke bis tief in die Nacht - Tina Hüttl
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Benedict im Prenzlauer Berg: Die besten Frühstücke bis tief in die Nacht

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25.02.2024

Ob Fastenzeit, gute Vorsätze vom Jahresanfang oder Fitnessprogramm für die Frühjahrsfigur – zurzeit ist es etwas mühselig, Familie oder Freunde zum Essengehen zusammenzutrommeln. Die einen trinken keinen Alkohol, die anderen setzen auf Low Carb. Andere wiederum wollen im Sinne des Intervallfastens nach 18 Uhr nichts mehr zu sich nehmen. Dann lieber zum Frühstücken verabreden? Auch das ist nicht leicht, weil einige, unter anderem mein Mann, das Frühstück derzeit aus ihrem Ernährungsplan gestrichen haben.

Früher mal galt Frühstücken als wichtigste Mahlzeit am Tag. Inzwischen ist das offenbar widerlegt. Ich will mich gar nicht einmischen, weil ich bei all den Ernährungs- und Gesundheitsstudien den Überblick verloren habe. Mein Metier ist der Genuss. Soviel ich jedoch bei der Ablehnung des Frühstücks verstanden habe, spielt weniger das eine Rolle, was man zu sich nimmt, als vielmehr der Zeitpunkt für die erste Mahlzeit am Tag. Damit der Körper darbt und aus Panik den schlankheitsfördernden und wohl auch verjüngenden Stoffwechsel anwirft, soll das erste Essen am Tag möglichst weit nach hinten verschoben werden.

Von mir aus gerne, denke ich. Das verträgt sich in Berlin wenigstens problemlos mit dem Frühstücken gehen. Im vergangenen Sommer hat bei mir in Prenzlauer Berg ein Ableger der israelischen Frühstücksrestaurantkette Benedict aufgemacht. Unter der Woche kann man hier bis 22 Uhr, am Wochenende sogar bis 23 Uhr ein Grilled Cheese Sandwich, Shakshuka, French Toast, sogar Steaks und natürlich sämtliche Variationen des namensgebenden Egg Benedict........

© Berliner Zeitung


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