Ich sag’s Ihnen gleich: Dieses neue Restaurant zu googeln ist ein Albtraum. Tatsächlich haben es seine Inhaber doch glatt „Teller“ genannt. Egal, wie sehr ich mich bemühte, etwas im Netz darüber rauszufinden. Bei den Stichworten „Teller, Restaurant, Berlin“ kapitulierte ich angesichts von über zwei Millionen Treffern.

Auch der Begriff „Neueröffnung“ beziehungsweise „Soft Opening“ – die Phase, in der sich das Teller gerade befindet – half nicht weiter. Erst als ich rausfand, dass das Restaurant in der Pappelallee ist, genau dort, wo lange Zeit das „Mrs Robinson’s“ war, kam ich weiter.

Ohne dieses Wissen bleiben die Webseite und die Speisekarte jedoch unauffindbar. Klar, der Name „Teller“ ist für ein Restaurant vielleicht schlicht, schön und irgendwie auch naheliegend. Trotzdem kann ich ihn mir in Zeiten von SEO, wo die Suchmaschinenoptimierung über den Erfolg einer Marke mitentscheidet, nur so erklären, dass Küchenchef Yuval Belhans sowie sein Restaurantmanager und Mitgründer Nir Wollman beide Israelis sind. Deutsch ist nicht ihre Muttersprache, und vielleicht wissen sie nicht, wie geläufig dieses Allerweltswort ist.

Die beiden kennen sich aus Tel Aviv. Yuval Belhans kommt aus einer jüdisch-marokkanischen Familie und zog zuerst nach Berlin, wo er seit 2015 in den unterschiedlichsten Restaurantküchen positiv aufgefallen ist, vor allem aber mit Kiddush, einem Supper Club – inspiriert vom traditionellen jüdischen Familienessen am Freitagabend.

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09.02.2024

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Wie man kreativ mit Traditionen umgeht, darin kennt sich auch der sympathische Gastgeber Nir Wollman aus, der jedem beim Eintreten ein hinreißendes Lächeln schenkt. In seiner Heimat Tel Aviv führte er als Bibliothekar und Tour Guide durch das Culinary Institute of Israel namens Asif. Diese gemeinnützige Institution hat sich der Pflege von Israels kreativer Esskultur verschrieben. Ich habe nachgesehen: 1500 kulinarische Bücher zählt die Bibliothek, es gibt Vorträge zu Themen wie der Entwicklung von Arbeiterrestaurants und derzeit eine Fotoausstellung über Küchenchefs, die an der Front kochen.

Nir Wollman kam bereits vor dem 7. Oktober, auch aus Protest, er redet ganz offen darüber. Denn schon lange sei er nicht mehr damit einverstanden, wohin die Regierung sein Land treibe. Als linker, liberaler Israeli, sagt er, habe man in Israel schon lange eine sehr schwere Position. Leider habe man es nun auch in Deutschland nicht leicht. Wollman lächelt trotzdem.

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In Berlin arbeitete er zuvor im nahen Café Frida als Shift Manager, deren Inhaber bis dato auch das „Mrs Robinson’s“ betrieben hatten. Für die Verwandlung von letzterem ins Teller haben die beiden Gastronomen nicht viele Mittel aufgewendet. Ich glaube, eigentlich sind nur die Backsteinwände neu gestrichen, vormals waren sie beige, nun aubergine. Trotzdem wirkt der früher etwas unterkühlte Laden nun wärmer, gemütlicher, persönlicher.

Das liegt auch am Service. Nir Wollman berät, erzählt zu den Gerichten auf der kleinen Karte eine Geschichte, will, dass alle sich hier wohlfühlen. Auch merke ich ihm seine Begeisterung für dieses kulinarische Mosaik an, das die israelische Küche beziehungsweise die Levante-Küche darstellt. Durch seine Arbeit am Asif-Institut hat er wohl jede Menge Wissen angesammelt.

Natürlich führt auch hier kein Weg um die Erwähnung von Fermentation herum. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Sie ist sehr sinnvoll, um Aromen zu veredeln und zu verstärken, nur kann ich es manchmal nicht mehr hören. Doch wenn sie zu solchen Ergebnissen wie dem laktofermentierten Kartoffelbrot führt, höre ich gerne zu.

Es schmeckt fantastisch, innen ist es locker, außen hat es eine salzig-harte Kruste. Mich erinnert es an ein Canelé, dieses französische Gebäck mit karamellisierter Kruste und zartem Puddingkern, nur dass es nach Kartoffeln schmeckt.

Auch das mit Olivenöl getränkte und über Kohle geröstete Sauerteigbrot ist großartig. Dazu hat Nir Wollman ein paar Vorspeisen zum Teilen empfohlen: Eine Lauch-Kartoffel-Krokette mit einer Mayo aus Kartoffelschalen. Die Krokette ist ein knuspriger Ball, innen fast roh wie das jüdische Festtagsgericht Latkes, also geriebene, dann gebratene Kartoffelpuffer. Hier bleibt jedoch auch der Lauchgeschmack präsent, vor allem durch das leicht verbrannte Lauchstroh obenauf. Noch interessanter ist die Krokette mit Rind, weil sie nicht bloß fleischig schmeckt, sondern bei ihr die Süße von karamellisierten Zwiebeln, Senfkörnern sowie Harissa und Chili bestens zusammenspielen. Fünf Euro kostet jede Krokette, zum Teilen fällt sie dafür etwas zu klein aus.

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Für einen ähnlichen Preis geradezu üppig ist aber folgende, sehr gelungene Kreation: eine Crème Brûlée mit Feta und Chili, wie man sie derzeit auch in Tel Avivs Restaurantszene gerne serviert. Der Küchenchef hat dafür im Sommer Paprika eingelegt und mit Feta, fermentierten Chilis und Zucker verquirlt. Selbstverständlich fehlt wie bei einer richtigen Crème Brûlée die Karamellkruste nicht. Eine tolle Empfehlung.

Die Weinkarte, die Nir Wollman auch verantwortet, liest sich interessant: Pet Nat aus Griechenland, libanesische Weine vom Chateau Ksara, sonst viel Slowakei, Tschechien sowie Orange-Weine. Meinen Geschmack trifft seine Empfehlung für einen Weißwein vom Gut Herzanovi nicht unbedingt: ein Rebsorten-Mix aus der tschechischen Region Moravia mit sehr kräuterigen Zitrus-Aromen, einem rauchigen Charakter sowie – wie ich finde – leider auch einem Hauch von Benzin.

Nicht so schlimm, mit seiner nächsten Essensempfehlung, einem Bohnengericht, trifft er dafür voll ins Schwarze. Es sei ein IT-Gericht in Tel Aviv: Dicke, buttrige Limabohnen schwimmen in einem herrlichen umamivollen, aber irgendwie auch fruchtigen Sud aus verbranntem Weißkohl. Der geniale Kniff wartet obenauf: eine Art Gremolata aus Salzzitrone und fermentierter, grüner Chilischote. Selten hatte ich so einen überraschend neuen Geschmack im Mund.

Das vermeintliche Hauptgericht aber, ein Wagyu-Rind von einem Bauernkontakt aus dem Norden Deutschlands für 19 Euro, langweilt – und enttäuscht wegen seiner Größe. Ohnehin war ich skeptisch, wie sie ein Wagyu für diesen Preis anbieten, ohne dass es eine Probierportion sei. Nir Wollman versicherte jedoch, die Küche serviere etwa 100 Gramm vom mageren, aber beim Wagyu dennoch fettigen Onglet. Leider sind die drei lauwarmen Scheibchen dann höchstens 50 Gramm leicht, zudem etwas zäh und belanglos gewürzt. Die Beilage, ein Kartoffelbrei, versöhnt jedoch, weil sie so schön buttrig schmeckt.

Mein Fazit fällt gemischt aus: Das Teller serviert eine aufwendige, gehobene Produktküche, die trotzdem nicht verkopft ist und sich von anderen Levante-Restaurants abhebt. Hier scheut man sich nicht, das Essen mit Fingern anzufassen, mit Brot die Teller auszuschlecken. Doch um voll und ganz zu genießen, müssten die Portionen etwas größer ausfallen.

Brot und Butter, Vorspeisen zwischen 3,50-7 Euro, Hauptspeisen 11-19 Euro, Desserts 8 Euro

Teller. Pappelallee 29, 10437 Berlin, Soft Opening Days & Hours: Do–Sa 18–22.30 Uhr. hello@tellerberlin.com, www.tellerberlin.com

QOSHE - Restaurant „Teller“ in Prenzlauer Berg: Der Google-Albtraum - Tina Hüttl
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Restaurant „Teller“ in Prenzlauer Berg: Der Google-Albtraum

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11.02.2024

Ich sag’s Ihnen gleich: Dieses neue Restaurant zu googeln ist ein Albtraum. Tatsächlich haben es seine Inhaber doch glatt „Teller“ genannt. Egal, wie sehr ich mich bemühte, etwas im Netz darüber rauszufinden. Bei den Stichworten „Teller, Restaurant, Berlin“ kapitulierte ich angesichts von über zwei Millionen Treffern.

Auch der Begriff „Neueröffnung“ beziehungsweise „Soft Opening“ – die Phase, in der sich das Teller gerade befindet – half nicht weiter. Erst als ich rausfand, dass das Restaurant in der Pappelallee ist, genau dort, wo lange Zeit das „Mrs Robinson’s“ war, kam ich weiter.

Ohne dieses Wissen bleiben die Webseite und die Speisekarte jedoch unauffindbar. Klar, der Name „Teller“ ist für ein Restaurant vielleicht schlicht, schön und irgendwie auch naheliegend. Trotzdem kann ich ihn mir in Zeiten von SEO, wo die Suchmaschinenoptimierung über den Erfolg einer Marke mitentscheidet, nur so erklären, dass Küchenchef Yuval Belhans sowie sein Restaurantmanager und Mitgründer Nir Wollman beide Israelis sind. Deutsch ist nicht ihre Muttersprache, und vielleicht wissen sie nicht, wie geläufig dieses Allerweltswort ist.

Die beiden kennen sich aus Tel Aviv. Yuval Belhans kommt aus einer jüdisch-marokkanischen Familie und zog zuerst nach Berlin, wo er seit 2015 in den unterschiedlichsten Restaurantküchen positiv aufgefallen ist, vor allem aber mit Kiddush, einem Supper Club – inspiriert vom traditionellen jüdischen Familienessen am Freitagabend.

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Wie man kreativ mit Traditionen umgeht, darin kennt sich auch der sympathische Gastgeber Nir Wollman aus, der jedem beim Eintreten ein hinreißendes Lächeln schenkt. In seiner Heimat Tel Aviv führte er als Bibliothekar und Tour Guide durch das Culinary Institute of Israel namens Asif. Diese gemeinnützige........

© Berliner Zeitung


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