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Friedrich Merz stiftet Verwirrung, ob seine Unionsfraktion Maßnahmen zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Rechtspopulismus mitträgt. In Wahrheit spielt er auf Zeit – und das ist ganz gut so.

Heute, 13:33 Uhr

Ja, nein, doch, vielleicht. Es geht hin und her bei der Union, ob sie mit ihren Stimmen im Parlament für Grundgesetzänderungen bereitsteht, die das Bundesverfassungsgericht gegen eine autoritär-rechtspopulistische Politik widerstandsfähiger machen sollen.

Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte erst durchblicken lassen, er sage alles ab, dann wieder, die Union sei für jeden guten Vorschlag offen – wenn es denn einen gäbe. Zuletzt hat auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) angekündigt, er liefere einen Entwurf, wenn es gewünscht sei.

Vorschläge gibt es manche, denn das Thema ist alles andere als neu. Vorschlagende auch. Der Blick nach Polen hatte eine fachpolitische Debatte angeregt, ob das Bundesverfassungsgericht vor ähnlichen Umbauten wie dort gefeit sei. Ergebnis: Ist es nicht.

Jost Müller-Neuhof ist Rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels. Er hält politischen Alarmismus für falsch, wenn es darum geht, das Grundgesetz zu ändern.

Theoretisch genügt eine einfache Mehrheit im Parlament, um etwa die Amtszeit von Richtern zu verkürzen oder ihre Altersgrenze zu senken und das bisher geltende Zweidrittel-Erfordernis für eine Neubesetzung von Richterstellen zu streichen. Einem solchen Szenario zufolge könnten AfD und parlamentarische Helfershelfer dereinst parteitreues Personal in Karlsruhe installieren.

Merz werden nun taktische Spielchen vorgeworfen, obwohl er das Problem doch erkannt habe. Da ist was dran. Umgekehrt betreibt auch die Ampel ein Spielchen, denn sie hat das Thema im Schwung der „Correctiv“-Berichte über ein Extremistentreffen in Potsdam als brandheiße Ampel-Idee zum Schutz der Demokratie unters Volk gebracht. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schmückt sich damit sogar in ihrem jüngsten 13-Punkte-Plan zur Abwehr rechtsextremer Gefahr.

Das Bundesverfassungsgericht als Ampel-Projekt? Das wurmt den Fraktionschef, denn wenn Merz da mitmacht, spielt er die zweite Geige, und wenn er sich weigert, ist er der Verhinderer. Ein Dilemma. Also äußert er sich irgendwo dazwischen.

Sachlich falsch ist das nicht. Der Glaube, das Verfassungsgericht könne sich wirksam einer drohenden Abschaffung der Demokratie entgegenstellen, ist trügerisch. Wenn es wirklich irgendwann bundesweit ein rechtspopulistisches Beben geben sollte, wackeln die Institutionen ohnehin – auch in Karlsruhe.

Zudem sollte gut bedacht sein, was in einer Gesellschaft, die Wandel zum Leben braucht, wirklich „veränderungsfest“ im Grundgesetz gestaltet werden soll. Auch beim Bundesverfassungsgericht wahrscheinlich nur weniges. Eile bedarf es dafür nicht.

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Resilienz des Bundesverfassungsgerichts : Warum die Union nicht alles mitmachen muss

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26.02.2024

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Friedrich Merz stiftet Verwirrung, ob seine Unionsfraktion Maßnahmen zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Rechtspopulismus mitträgt. In Wahrheit spielt er auf Zeit – und das ist ganz gut so.

Heute, 13:33 Uhr

Ja, nein, doch, vielleicht. Es geht hin und her bei der Union, ob sie mit ihren Stimmen im Parlament für Grundgesetzänderungen bereitsteht, die das Bundesverfassungsgericht gegen eine autoritär-rechtspopulistische Politik widerstandsfähiger machen sollen.

Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) hatte erst durchblicken lassen, er sage alles ab, dann wieder, die Union sei für jeden guten Vorschlag offen – wenn es denn einen gäbe. Zuletzt hat auch........

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