Die deutschen Medien, die uneingeschränkte Unterstützung für die israelische Regierung fordern, haben jüdische Aktivist:innen unerbittlich angegriffen. Die transfeindliche Kampagne des Spiegels, die persönliche Informationen einschließt, um zu Belästigungen zu ermutigen, stellt jedoch einen neuen Tiefpunkt dar.

Die Darstellung von Jüd:innen als unzüchtig, wollüstig und mit unklarem Geschlecht ist typisch für antisemitische Karikaturen – ein regelmäßiges Motiv der Zeichnungen von Philipp Rupprecht in der Nazizeitschrift Der Stürmer. Es ist nicht klar, ob Der Spiegel bewusst auf diese antisemitischen Klischees Bezug genommen hat oder ob es sich um eine unbewusste Voreingenommenheit rechter Reporter:innen handelt. Ich habe bei Spiegel TV nachgefragt, ob es dort einen „Antisemitismus-Beauftragten“ gibt – ich werde diesen Artikel aktualisieren, falls sie sich melden.

Während der Kundgebung am 8. Februar wurde Udi Raz, eine jüdische Studierende der FU und bekannte Aktivistin der Jüdischen Stimme, von der Polizei festgenommen, weil sie angeblich den Universitätspräsidenten beleidigt haben soll. Der Spiegel hat diese polizeiliche Einschüchterung jüdischer Studierender ignoriert. Stattdessen verbreitet er nur die Behauptung, dass rechtsgerichtete jüdische Studierende von Pro-Palästina-Aktivist:innen eingeschüchtert würden. Obwohl diese Behauptung seit Monaten wiederholt wird, hat die Öffentlichkeit nicht einen einzigen Beweis gesehen – kein:e Journalist:in hat einen Screenshot einer Drohnachricht oder Ähnlichem verlangt.

Bizarrerweise stammt der einzige Beweis, den Der Spiegel mit seinen Zuschauer:innen teilt, von einem früheren Vorfall und zeigt deutlich, wie ein pro-zionistischer Student palästinasolidarische Aktivist:innen angreift, die sich von der Gewalt nicht provozieren lassen und friedlich bleiben. In einem Off-Kommentar erklärt ein rechter Student, dass der junge Mann, der den Angriff verübt hat, andere Menschen verteidigt habe – was allerdings aus unerfindlichen Gründen nicht auf Video festgehalten wurde. Auch HP ist in diesem Video als Opfer der Gewalt gut zu erkennen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Der Spiegel unbestätigte Behauptungen über die Einschüchterung jüdischer Studierender veröffentlicht hat – und dass das Magazin damit schamlos jüdische Studierende einschüchtert und zur Zielscheibe macht. HP musste aufgrund der Belästigungen sein Instagram-Profil auf privat umstellen. Dieses Schüren rassistischer und transfeindlicher Hetze und Angriffe wird auch unzählige andere treffen, die bereits mit schrecklicher Gewalt konfrontiert sind.

Dieses deutsche Magazin behauptet, jüdische Studierende zu verteidigen – aber nur, wenn sie sich perfekt an die Politik der deutschen Regierung anpassen. Jüd:innen, die es wagen, einen Völkermord zu kritisieren, der in ihrem Namen verübt wird, werden unsichtbar gemacht, verleumdet und schikaniert. Die Dichotomie ist beunruhigend. Für den Spiegel gibt es „gute Juden“, die Schutz verdienen, solange sie geschlechtskonform und patriotisch gegenüber „ihrem“ Heimatland sind. „Schlechte Juden“, die die Geschlechtertrennung infrage stellen und den zionistischen Kolonialismus ablehnen, sind dagegen Freiwild. In einer beunruhigenden Annäherung an die Behauptung von Nazi-Chef Hermann Göring wird ihr Jüdischsein infrage gestellt: „Ich entscheide, wer ein Jude ist!“ Es ist bemerkenswert, dass rechtsgerichtete, nicht-jüdische Deutsche, die die israelische Regierung unterstützen, regelmäßig aufgefordert werden, für jüdische Menschen zu sprechen – während tatsächliche Jüd:innen, die aus der Reihe tanzen, zum Schweigen gebracht werden.

Während Der Spiegel sich gerne als linksliberales Magazin mit einer langen Geschichte der Verteidigung der Demokratie präsentiert, weisen Historiker:innen darauf hin, dass der Gründer des Magazins, Rudolf Augstein, beträchtliche Ressourcen für die Rehabilitierung ehemaliger Nazis einsetzte. So lud er beispielsweise Rudolf Diels, einstiger Leiter der Gestapo, ein, eine achtteilige Serie für das Magazin zu schreiben, in der die Geschichte der Nazi-Geheimpolizei beschönigt wurde. In jüngster Zeit hat Der Spiegel zahlreiche rassistische Titelseiten veröffentlicht, auf denen vor den Gefahren von Migrant:innen gewarnt wird – oft unter Verwendung der gleichen Ästhetik wie auf antisemitischen Plakaten von vor einem Jahrhundert.

In ihrem Eifer, Israels rechte Regierung zu verteidigen, kennen deutsche Medien keine Grenzen, wenn es darum geht, kritische Jüd:innen anzugreifen. Die Familie des israelischen Regisseurs Yuval Abraham musste nach einer Kampagne rechter Medien, die ihm Antisemitismus vorwarfen, aus ihrem Haus fliehen. Dennoch sticht dieses Video des Spiegels durch die Verwendung von verachtenswerten antisemitischen Stereotypen besonders hervor.

QOSHE - Der Spiegel greift jüdischen Studierenden an - Nathaniel Flakin
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Der Spiegel greift jüdischen Studierenden an

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02.03.2024

Die deutschen Medien, die uneingeschränkte Unterstützung für die israelische Regierung fordern, haben jüdische Aktivist:innen unerbittlich angegriffen. Die transfeindliche Kampagne des Spiegels, die persönliche Informationen einschließt, um zu Belästigungen zu ermutigen, stellt jedoch einen neuen Tiefpunkt dar.

Die Darstellung von Jüd:innen als unzüchtig, wollüstig und mit unklarem Geschlecht ist typisch für antisemitische Karikaturen – ein regelmäßiges Motiv der Zeichnungen von Philipp Rupprecht in der Nazizeitschrift Der Stürmer. Es ist nicht klar, ob Der Spiegel bewusst auf diese antisemitischen Klischees Bezug genommen hat oder ob es sich um eine unbewusste Voreingenommenheit rechter Reporter:innen handelt. Ich habe bei Spiegel TV nachgefragt, ob es dort einen „Antisemitismus-Beauftragten“ gibt – ich werde diesen Artikel aktualisieren, falls sie sich melden.

Während der Kundgebung am 8. Februar wurde Udi Raz, eine jüdische Studierende der FU und bekannte Aktivistin der Jüdischen Stimme, von der Polizei festgenommen, weil sie angeblich den Universitätspräsidenten beleidigt haben soll. Der Spiegel hat diese polizeiliche Einschüchterung jüdischer Studierender ignoriert.........

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