Der israelische Berliner Yuval Carasso wurde von der Berliner Polizei verletzt und soll nun eine Strafe von 2.000 Euro zahlen.

Der Brief ist eigentlich ganz niedlich. Im März erhielt der israelische Berliner Yuval Carasso einen Brief vom Berliner Amtsgericht mit einem juristischen Dokument auf Deutsch und einer Übersetzung ins Hebräische – nur, dass die hebräischen Seiten in dem zusammengehefteten Paket auf dem Kopf standen, weil anscheinend jemand nicht wusste, dass Hebräisch von rechts nach links geschrieben wird. Eine deutsche Behörde versuchte, Sympathie für jüdische Menschen zu zeigen, und entlarvte am Ende ihre Unkenntnis.

Der Inhalt des Schreibens war jedoch nicht amüsant. Carasso soll eine Geldstrafe von 2.000 Euro zahlen oder 25 Tage im Gefängnis verbringen. Ihm wird vorgeworfen, am 13. September vergangenen Jahres »Widerstand gegen die Staatsgewalt« geleistet zu haben. Der israelische Künstler wurde von zwei Polizisten in Zivil vor der Neuköllner Bar »Bajszel« festgehalten – ausgerechnet bei einer Veranstaltung zum Thema Antisemitismus – und soll sich gewehrt haben, als sie ihn zu Boden warfen und ihm Handschellen anlegten.

Gegenüber »nd« erklärt Carasso, dass er die Anweisungen der Polizisten befolgt habe, obwohl ihm nicht sofort klar gewesen sei, dass es sich um Polizisten handelte. Am nächsten Tag war er mit blauen Flecken übersät – eine Ultraschalluntersuchung ergab, dass seine Rippen zwar nicht gebrochen waren, aber sie schmerzten noch wochenlang, so Carasso. Wie Kritiker*innen der deutschen Polizei seit langem anprangern, wird jeder, der sich über erlebte Polizeigewalt beschwert, fast automatisch wegen »Widerstands gegen die Staatsgewalt« angeklagt. Die Berliner Polizei lehnte eine Stellungnahme im »nd« unter Berufung auf Datenschutzgesetze ab. Gegenüber der englischsprachigen Publikation »The New Arab« hatte man jedoch zuvor erklärt: »Um das Verletzungsrisiko für alle Beteiligten zu verringern, haben die Beamten den Randalierer zu Boden gebracht, ihn gefesselt und ihm Handschellen angelegt.«

Dies ist ein hochpolitischer Fall. Carasso hatte eine öffentliche Veranstaltung im »Bajszel« besucht, bei der die Broschüre »Mythos#Israel1948« vorgestellt wurde. Dieseist seither weithin kritisiert worden, weil darin behauptet wird, die massive Vertreibung der Palästinenser*innen im Jahr 1948, die sogenannte Nakba, sei in Wirklichkeit ein Mythos. Carasso hörte etwa eine halbe Stunde lang geduldig zu, wie er sagt, bis ihn ein Security-Mitarbeiter ansprach. In einer Erklärung schrieben die Organisator*innen, dass ein junger Mann unerlaubt gefilmt habe, während Carasso bestreitet, gefilmt oder fotografiert zu haben – letzteres bestätigt ein Augenzeuge, der direkt neben ihm saß.

QOSHE - Polizeigewalt gegen linken Israeli – wo beginnt Antisemitismus? - Nathaniel Flakin
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Polizeigewalt gegen linken Israeli – wo beginnt Antisemitismus?

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11.04.2024

Der israelische Berliner Yuval Carasso wurde von der Berliner Polizei verletzt und soll nun eine Strafe von 2.000 Euro zahlen.

Der Brief ist eigentlich ganz niedlich. Im März erhielt der israelische Berliner Yuval Carasso einen Brief vom Berliner Amtsgericht mit einem juristischen Dokument auf Deutsch und einer Übersetzung ins Hebräische – nur, dass die hebräischen Seiten in dem zusammengehefteten Paket auf dem Kopf standen, weil anscheinend jemand nicht wusste, dass Hebräisch von rechts nach links geschrieben wird. Eine deutsche Behörde versuchte, Sympathie für jüdische Menschen zu zeigen, und entlarvte am Ende ihre Unkenntnis.

Der Inhalt des Schreibens war jedoch nicht........

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