Länder und Kommunen haben bald die geforderte Rechtssicherheit: Weil die Ampel sich auf eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes geeinigt hat, können sie die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete beruhigt vorantreiben. Praktisch bedeutet dies unter anderem, dass die zugestandene abhebbare Bargeldmenge auf Minimalbeträge heruntergefahren werden kann. Die Grünen rühmen sich, dafür gesorgt zu haben, dass der Zugang zu Taschengeld für Schulausflüge der Kinder oder der Erwerb von Bustickets, »um zum Ausbildungsplatz zu kommen« (also wohl nicht, um allgemein mobil sein zu können), nun gewährleistet sei.

Sie wollen damit bemänteln, dass sie einer gravierenden Entrechtung und Diskriminierung von Menschen im Asylverfahren zugestimmt haben. Diese werden damit bei jeder Kleinigkeit zu Bittstellern gemacht. Zugleich posaunten SPD und FDP anlässlich der Einigung erneut den Mythos hinaus, man habe »einen der wesentlichen Pull-Faktoren für irreguläre Einwanderung« ausgeschaltet. Dass Menschen sich nicht auf lebensgefährliche Fluchtrouten begeben, um an angesichts der Kostenstruktur hierzulande lächerliche Sozialleistungen heranzukommen, wiederholen Migrationsforscher seit Monaten gebetsmühlenartig. Und auch für die stets behauptete angebliche Rücküberweisung von Geldern aus diesen Transferleistungen gibt es keinerlei Beleg. Die Schätzungen der Bundesbank zu Überweisungen durch Nichtdeutsche ins Ausland, die demnach 2023 zurückgingen und insgesamt 6,8 Milliarden Euro umfassten, zeigen vielmehr, dass deren Löwenanteil von Menschen mit Arbeitsplatz und Aufenthaltstitel stammen dürfte – und dass drei Viertel der Gelder innerhalb Europas überwiesen werden. Empfänger in der Türkei, in Rumänien, Polen und der Ukraine erhalten dabei das meiste. Die Überweisungen in »Asylherkunftsländer« wie Syrien, Afghanistan und Irak sind hingegen im vergangenen Jahr um zehn bis 15 Prozent zurückgegangen.

Nebenbei schafft die Ampel mit der Bezahlkarte ein Modell, das sich mühelos auf andere Bezieher von Sozialleistungen übertragen lässt. In den Unionsparteien wird dieses Ziel längst vernehmlich formuliert, die üblichen Verdächtigen unter den neoliberalen Ökonomen stehen als Experten für die praktische Umsetzung Gewehr bei Fuß.

QOSHE - Bezahlkarte: Instrument der Entrechtung - Jana Frielinghaus
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Bezahlkarte: Instrument der Entrechtung

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06.04.2024

Länder und Kommunen haben bald die geforderte Rechtssicherheit: Weil die Ampel sich auf eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes geeinigt hat, können sie die Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete beruhigt vorantreiben. Praktisch bedeutet dies unter anderem, dass die zugestandene abhebbare Bargeldmenge auf Minimalbeträge heruntergefahren werden kann. Die Grünen rühmen sich, dafür gesorgt zu haben, dass der Zugang zu Taschengeld für Schulausflüge der Kinder oder der Erwerb von Bustickets, »um zum Ausbildungsplatz zu kommen« (also........

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